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Der stille Sammler

Der stille Sammler

Titel: Der stille Sammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becky Masterman
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rennt. Anstatt auf mein Pferd zu springen und davonzugaloppieren, rief ich Gordo an, um mich zu erkundigen, ob Carlo wohlbehalten und sicher war. Doch Gordo ging nicht ans Telefon und rief auch nicht innerhalb der nächsten zehn Minuten zurück, also fuhr ich zum Haus, um selbst nach Carlo zu sehen. Unterwegs hielt ich vor einem Imbiss und erstand einen Kaffee und ein Jumbo-Sandwich »mit allem«.
    Ich nahm den Umweg über Bowman in unsere Siedlung, anstatt auf dem kürzesten Weg zum Haus zu fahren. Drei Häuser entfernt hielt ich am Straßenrand, den Motor im Leerlauf und die Klimaanlage auf vollen Touren, sodass ich in der Hitze nicht ohnmächtig wurde.
    Dann saß ich da, aß das Sandwich und beobachtete mein Haus. Es gab keinen anderen Ort, an den ich konnte, und über Carlos Sicherheit zu wachen verschaffte mir kurzfristig das Gefühl, eine Aufgabe zu haben, auch wenn ich Jane neben mir spürte. Wir saßen nebeneinander in meinem Wagen, Janes Geist und ich, die beiden Frauen in Carlos Leben, während ich überlegte, was ich auf meiner Suche nach Laura Coleman als Nächstes unternehmen sollte.
    Endlich wurde der Himmel dunkler, und das Licht neben Carlos Lesesessel ging an. Mein Buch lag auf dem Tisch neben meinem eigenen Sessel, und ich versuchte vergeblich, mich zu erinnern, was ich am Tag zuvor gelesen hatte. Ich war überwältigt von Sorge und Kummer, und mein Kopf schmerzte.
    Später am Abend verließ Carlo das Haus, um die Hunde auf ihre abendliche Runde zu führen. Sie gingen in die entgegengesetzte Richtung, und es war zu dunkel, als dass er meinen Wagen hätte sehen können. War seine Haltung gebeugter als normal? Waren die Tiere stiller als sonst? Allmählich fing ich an, mich selbst wie ein Geist zu fühlen, und ich fragte mich, ob sie mich genauso brutal und schmerzlich vermissten wie ich sie.
    Ich hatte den Motor bereits vor einer ganzen Weile abgestellt. Der klare Himmel ließ die aufgeheizte Erde schnell abkühlen. Ich trank die dritte von vier mitgebrachten Flaschen Wasser. Es war lauwarm und schmeckte schal und abgestanden. Ich sagte mir immer wieder, dass es albern sei, die ganze Nacht hier zu sitzen, doch ich hatte nicht den Mut wegzufahren. Alles Mögliche ging mir durch den Kopf. Wenn ich Coleman schon nicht finden konnte, dann konnte ich wenigstens auf Carlo aufpassen und dafür sorgen, dass ihm nichts zustieß.
    Irgendwann sagte ich mir, dass ich ruhigen Gewissens ein kleines Nickerchen halten könne, wenn ich vorher ein wenig die Umgebung kontrollierte. Abgesehen davon musste ich dringend pinkeln, und das konnte ich in dem dunklen Arroyo hinter unserem Grundstück ungestört tun.
    Also nahm ich eine kleine Taschenlampe aus dem Handschuhfach und ging das kurze Stück die Straße hinunter. Dann bog ich rechts ab und hielt mich an der hohen Mauer aus Betonsteinen, die das Nachbargrundstück umschloss. Ich leuchtete den Boden vor mir ab, um nicht von Schlangen überrascht zu werden, was mir auch gelang: keine Schlangen, dafür eine jagende Tarantel, die sich drohend aufrichtete, um mir Angst zu machen, was ihr auch gelang.
    Die Rückseiten der Grundstücke waren nicht durch Mauern, sondern durch Maschendrahtzaun abgegrenzt. Leider hatte ich keinen Gehstock mehr, deshalb hielt ich mich am Zaun fest, um das Gleichgewicht zu wahren, während ich mir einen Weg über den unebenen Untergrund suchte, bis ich unseren Garten erreichte. Alles sah normal und sicher aus im Lichtkegel der Lampe: keine Spuren menschlicher Aktivitäten. Die Rückseite des Hauses, zwanzig Meter von mir entfernt, lag dunkel da. Ich konnte gerade eben die Hintertür erkennen, die Carlo manchmal abzusperren vergaß. War das Schlafzimmerfenster offen? Wie viele Male hatte ich deswegen mit ihm geschimpft! Zivilisten haben einfach kein Gespür für Sicherheit.
    Ich steckte die Taschenlampe ein, hockte mich hin, um mich zu erleichtern, und stieg auf den niedrigen Mauersockel, der Kojoten und Luchse daran hintern sollte, unter dem Zaun hindurchzuschlüpfen. Unbeholfen kletterte ich über den Zaun und landete ziemlich unsanft auf der anderen Seite. Inzwischen war der Vollmond aufgegangen, der meine Taschenlampe mehr oder weniger überflüssig machte. Der Garten lag in silbernem Licht vor mir. Alles war deutlich zu erkennen. Bäume, Kiesweg, das Haus, selbst Janes Gartenskulpturen, der heilige Franziskus und das Vogelbad aus Stein.
    Ein schneller Gang zur Hintertür, um zu kontrollieren, ob sie ordentlich verschlossen war, und der

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