Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der stille Sammler

Der stille Sammler

Titel: Der stille Sammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becky Masterman
Vom Netzwerk:
Polizei alles erklären. Wann haben Sie Laura Coleman das letzte Mal gesehen?«
    Er zögerte. Anscheinend war ihm klar geworden, dass es in seiner Lage nicht klug war, sich mir zu widersetzen. Abgesehen davon sind Doppelglasscheiben ziemlich teuer. Er senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Ich schwöre bei Gott, Quinn, nicht mehr, seit wir am Pass waren. Warum fragen Sie?«
    »Weil ich den Verdacht habe, dass Coleman entführt wurde.« So, jetzt hatte ich es gesagt.
    Kein »O Gott«, nur ein: »Wie kommen Sie denn auf die Idee?«
    Erneut die Stimme im Hintergrund, undeutlicher, leiser diesmal. Wahrscheinlich war er während unseres Gesprächs nach draußen gegangen.
    »Ihr Auto steht vor dem Haus.«
    »Herrgott, Quinn, sie hat sich einen Wagen gemietet oder ist irgendwohin geflogen!«, sagte Hughes und legte auf.
    Wie ich bereits sagte, hatte Coleman keine Freunde. Wenn Hughes schon auf diese Weise reagierte, konnte ich von Max Coyote oder Roger Morrison ganz bestimmt nicht mehr erwarten. Ich war auf mich allein gestellt.
    Für den Fall, dass sie noch ihren Mädchennamen führte, sah ich unter C in ihrem Adressbuch nach und entdeckte Ben und Emily Coleman in der Seniorenresidenz Paloma Vista zusammen mit einer Adresse und einer Telefonnummer.
    Ich rief nicht direkt im Apartment der alten Leute an, denn ich wollte sie nicht unnötig beunruhigen. Ich ließ mir von der Auskunft die Nummer der Zentrale geben und verlangte den Geschäftsführer zu sprechen.
    »Es geht um zwei Ihrer Bewohner«, sagte ich.
    »Tut mir leid. Wir geben keine Auskunft über unsere Bewohner.«
    »Ich bin eine Familienangehörige und rufe an, weil ich wissen möchte, wie es Emily Coleman geht.«
    »Es tut mir leid. Vielleicht rufen Sie direkt bei ihr an. Wir geben keine Auskunft über unsere Bewohner.«
    »Könnten Sie mir sagen, ob ihre Tochter in den letzten drei Tagen dort gewesen ist?«
    »Tut mir leid. Wir geben keine Auskunft über unsere Bewohner.«
    »Spreche ich mit einer lebenden Person oder einem Automaten?«
    »Ich bin eine lebende Person. Und es tut mir leid. Wir geben keine Auskunft über unsere Bewohner.«
    Warum muss immer alles so kompliziert sein?
    Ich legte auf, steckte das Adressbüchlein ein und machte mich auf den Weg nach Paloma Vista.

40.
    Wenn die Bewohner von Arizona nicht wollen, dass Mexikaner in ihr Land kommen, warum geben sie dann allen Dingen spanische Namen? Das sendet widersprüchliche Botschaften. Paloma Vista war ein schlichtes, anmutiges zweistöckiges Gebäude mit einem Tonnendach am Ende einer Sackgasse. Vor dem Eingang wartete ein kleiner Bus. Eine Gruppe, die hauptsächlich aus Frauen bestand, stieg ein.
    Ich hielt hinter dem Bus, schwang mich aus dem Wagen und fragte die Frauen, ob eine von ihnen zufällig Ben und Emily Coleman kannte. Alle kannten sie.
    Eine der Frauen informierte mich, dass die beiden gerade in der zweiten Gruppe zu Mittag aßen. Sie schüttelte den Kopf, als wäre sie traurig wegen meiner Fragen. Vielleicht ging es ihr nicht gut.
    Ich ging durch die automatischen Türen und passierte den Empfangsschalter mit der jungen Frau dahinter. Sie fragte nicht, wer ich war. Ich kam an einer großzügigen Sitzecke mit Polstermöbeln vorbei, die im Farbton so gar nicht zu den Kissen und dem Teppichboden passten, allenfalls in der Fantasie des verantwortlichen Innenausstatters, und gelangte in den Speisesaal. Eine Art Oberkellner kam mir entgegen und erkundigte sich, ob ich jemanden besuchen wolle.
    »Ben und Emily Coleman«, antwortete ich.
    Er führte mich an einen für vier Personen gedeckten Tisch mit einem Paar, das nicht älter aussah als ich selbst, wie ich gestehen muss. Selbst im Sitzen konnte ich sehen, dass beide so groß waren wie Laura, und beide waren schlank und hatten dichtes graues Haar. Ich näherte mich mit Bedacht, stellte mich als Freundin ihrer Tochter vor und fragte, ob ich ihnen für ein paar Minuten Gesellschaft leisten dürfe, obwohl sie noch beim Essen seien, wofür ich mich gleichzeitig entschuldigte.
    »Nur zu, wir sind ohnehin beim Dessert«, sagte Ben Coleman und deutete auf den Stuhl neben seiner Frau. Er winkte einer jungen Bediensteten, die abwartend in der Nähe stand, und fragte mich: »Darf ich Ihnen ebenfalls einen Reispudding bestellen?«
    Ich lehnte dankend ab, und die junge Frau schwebte davon.
    Emily hatte während unseres kurzen Wortwechsels mit verträumtem Blick geradeaus geschaut. Jetzt wandte sie mir mit einer majestätischen Bewegung den Kopf zu und

Weitere Kostenlose Bücher