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Der stille Sammler

Der stille Sammler

Titel: Der stille Sammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becky Masterman
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sagte Max.
    Während wir anderen schweigend warteten, machten Benny und Ray sich daran, den Müll aus dem Wagen in Plastiksäcken zu verstauen. Sie gingen so behutsam zu Werke wie Archäologen an einer Grabungsstelle. Ray ging zur hangabwärts liegenden Beifahrerseite. Mit einiger Mühe gelang es ihm, auch die Beifahrertür zu öffnen. Während die beiden Männer arbeiteten, schaute Lynch schweigend zu. Sein Atem ging flach, und er war sichtlich angespannt wie jemand, der jeden Moment damit rechnet, dass ein Springteufel aus dem Dunkel hochschnellt, während die Musik noch spielt. Seine Blicke huschten zwischen den Mitgliedern unserer Gruppe hin und her, ohne dass er den Kopf bewegte, als wollte er nicht, dass einer von uns etwas merkte. Ich sah, wie Lynchs Blick schließlich auf Sigmund haften blieb. Wahrscheinlich fragte er sich, wer der Mann war und was er hier machte. Sigmund starrte zurück, leicht angewidert, als hätte er es mit irgendeinem ekligen Abstrich auf einem Objektträger zu tun. Dann schüttelte er den Kopf und wandte sich wieder dem Wrack zu.
    Nach einiger Zeit hob Lynch die rechte Hand ans Gesicht und kratzte sich kräftig die Wange – offenbar eine Angewohnheit von ihm, denn auf der Haut hatte sich Schorf gebildet. »Ich hab den Müll in den Wagen geworfen«, sagte er, »für den Fall, dass Tramper vorbeikommen und einen Blick reinwerfen würden. Damit sie es nicht gleich sehen könnten.« Seine Stimme klang ruhig, doch ich hörte die innere Anspannung heraus. Der Mistkerl gab sich alle Mühe, gelassen zu erscheinen, aber es gelang ihm nicht.
    Als der Abfall auf dem Vordersitz nahezu verschwunden war, konnte ich zwei braune Hölzer erkennen. Ich stutzte, schaute genauer hin und schauderte, als mir klar wurde, dass es sich um mumifizierte Beine handelte. Der Leichnam war nackt und braun wie dunkles Leder, zusammengekrümmt zu einem Monsterfötus.
    Benny schaute erst mich an, dann Max. Der nickte, woraufhin Benny Fotos von der Leiche machte.
    Ich hatte einen Kloß im Hals und fand meine Stimme nicht auf Anhieb, sodass ich die Frage aller Fragen nicht stellen konnte. Max kam mir mit der Antwort zuvor. »Das ist sie«, sagte er.
    »Nein, das ist sie nicht«, sagte Lynch so plötzlich in die Stille hinein, dass mir beinahe das Herz stehengeblieben wäre. Seine Stimme bebte leicht, und sein Atem ging schneller. Er nahm die Hand von der schorfigen Wange. »Ich wollte es euch vorhin schon sagen, aber ihr lasst mich ja nicht ausreden.«
    » Was wollten Sie uns sagen?«, fragte Max.
    »Das da ist bloß die Highwaynutte. Die liegt schon ein Weilchen länger da.«
    Ich hatte mir fest vorgenommen, Lynch nicht direkt anzusprechen, sondern mich nur über seinen Anwalt oder Laura Coleman mit ihm zu verständigen, doch der Anblick der Toten, die Lynch soeben als »Highwaynutte« bezeichnet hatte – als Prostituierte, die sich auf Rastplätzen herumtrieb –, brachte mich für einen Moment aus der Fassung. »Wollen Sie damit sagen, Sie haben noch eine Frau umgebracht und den Leichnam versteckt, anstatt ihn in Pose zu legen wie die anderen?«
    »Ja«, sagte Lynch. »Beim ersten Mal.«
    »Wann war das?«
    »Kurz vor dem zweiten Mal«, antwortete er ohne erkennbaren Sarkasmus.
    Laura Coleman blickte mich fragend an. »Wussten Sie das nicht?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Woher denn?«
    »Sorry, Sie haben natürlich recht. Es kam erst beim Verhör ans Licht. Ich hätte es auf dem Weg hierher erwähnen sollen.«
    »Acht Opfer also«, sagte ich. »Acht – einschließlich der mumifizierten Leiche in seinem Lastwagen.«
    Lynch nickte. »Die Tote, die Sie suchen, liegt im Fond.«
    Benny schob den Sitz auf den von einer Staubschicht bedeckten Schienen nach vorn. Der Staub hier war so fein, dass er überall hinkam, selbst in einen geschlossenen Wagen. Mit einiger Mühe gelang es Benny, die Rücksitzbank freizulegen, die genauso mit Abfall übersät war wie die Bank vorn. Auch dieser Müll wurde behutsam ausgeräumt. Dann, als hätten sie es abgesprochen, traten die anderen vom Wrack zurück, um mich den ersten Blick auf die Leiche werfen zu lassen.
    Der Schmerz, von dem ich geglaubt hatte, er hätte nachgelassen, traf mich mit voller Wucht in den Unterleib. Ich musste mich vornüberbeugen und mit den Händen auf den Knien abstützen, den Kopf gesenkt, bis das Blut zurück in mein Gehirn strömte. Dann wappnete ich mich innerlich, denn niemand, absolut niemand, schon gar nicht Lynch, sollte meine Reaktion sehen.
    Es ist ein

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