Der stille Sammler
überdies, dass er die Leiche während des Trocknungsprozesses in der Wüste in eine belüftete Kiste gelegt hat, denn wir haben keine Fraßspuren durch Raubwild gefunden.«
»Lynch hat ausgesagt, es hätte nur ein paar Monate gedauert, bis er die Leiche mitnehmen konnte, ohne seinen Lastwagen mit dem Gestank zu verpesten«, warf Max ein.
»Wie lange war die Leiche in dem Laster?«, wollte ich wissen.
»Ungefähr anderthalb Jahre«, sagte Max.
Manriquez nickte. Der Zeitraum stimmte mit seinen Ergebnissen bezüglich des Todeszeitpunkts überein. »Er hat nicht versucht, den Leichnam zu bewegen«, fügte er hinzu. »Deshalb blieb er weitgehend unbeschädigt. Aber wenn eine Mumie erst einmal so alt ist, kann man kaum noch ein Datum bestimmen. Trotzdem habe ich an der Leiche genügend getrocknetes Sperma gefunden, um zu dem Schluss zu kommen, dass Lynch sie wohl schon eine ganze Weile mit sich herumgefahren hat.«
»Sind Sie sicher, dass es sein Sperma ist?«, fragte ich.
»Wir hatten noch keine Zeit, eine Bestimmung der DNA vorzunehmen«, gestand er.
»Kommen wir noch einmal auf Jessica zurück«, sagte ich. »Können Sie mir etwas über die Todesursache und Art des Todes sagen?«
»Nun ja, es ist schwierig, Ligaturen zu finden. Danach zu urteilen, wie der Kopf auf den Schultern lag, wäre er früher oder später abgefallen. Und wegen der eingetrockneten Augen sind auch die typischen Petichiae nicht zu erkennen. Möglicherweise zeigen sie sich in der Histopathologie, aber bisher besteht kein Grund, so weit zu gehen. Das Zungenbein ist definitiv gebrochen, die Achillessehne durchtrennt, und das rechte Ohr fehlt.« Manriquez schüttelte den Kopf. »Nach Lynchs Geständnis habe ich die Autopsieberichte der anderen Route-66-Opfer noch einmal gelesen. Dabei fand ich heraus, dass die erste Leiche die gleichen Spuren aufwies. Also habe ich den Leichnam von Jessica Robertson auf Spuren von Sperma untersucht und fand es an den verschiedensten Stellen, genau wie bei der Mumie im Lastwagen. Das Sperma könnte durchaus von Lynch sein, die ersten Tests schließen es jedenfalls nicht aus. Aber bald wissen wir Genaues. Wir haben eine DNA -Analyse mit höchster Priorität in Auftrag gegeben.«
Ich dachte erneut an Zach, der alleine draußen im Warteraum saß, und wollte zu ihm zurück; dann aber meldete Laura Coleman sich zu Wort. »Bei seinem Verhör sagte Lynch, er habe Jessicas Leiche mehrere Jahre benutzt, bis er es leid geworden sei, zum Pass hinaufzufahren und jedes Mal befürchten zu müssen, von jemandem gesehen zu werden. Irgendwann fing er an, Mumifizierungsversuche mit Tieren vorzunehmen, bis er einen Weg gefunden hatte, die Tote in seinem Laster so zu präparieren, wie wir sie gefunden haben.« Sie blickte Manriquez an. »Würden Sie mir die beiden Berichte schicken – den über Jessica Robertson und den über die andere Tote im Wrack?«
»Sicher. Ich habe auch diese Leiche hier.« Manriquez ging zur anderen Seite des Labors, wo der zweite Leichnam auf einem Untersuchungstisch lag, ebenfalls unter einem grünen Tuch. Er zog das Tuch herunter. Max und Coleman traten hinzu. Ich sah das dunkle Gewebe, das hier und da mit gelben Flecken gesprenkelt war, wo Stücke von Abfall und Müll haften geblieben waren, als die Leiche noch nicht vollkommen ausgetrocknet war. Ich blieb stehen, wo ich war, und überließ es den anderen, den Leichnam anzustarren, während Manriquez aufgeregt mit den Armen fuchtelte. »Wie Sie sehen, ist sie ebenfalls ziemlich gut erhalten, genau wie die Leiche von Jessica Robertson«, sagte er.
»Gut erhalten?«, erwiderte Max. »Die Köpfe haben sich abgelöst, als man die Leichen aus dem Wrack geborgen hat. Und dieser Leichnam hier ist völlig auseinandergefallen.«
»Ich rede von Gewebeverletzungen«, sagte Manriquez.
»Ich muss jetzt gehen, Leute«, meldete ich mich zu Wort. Ich stand immer noch neben dem Tisch mit Jessicas Leichnam.
Niemand hörte mir zu.
8.
Ich quartierte Zach im Sheraton Hotel ein, an der Ecke Campbell und Speedway, und bestellte beim Zimmerservice ein Hacksteak mit Kartoffelpüree für ihn. Dann unterhielten wir uns, bis das Essen kam. Ich saß im Sessel am Tisch, Zach hockte auf dem Bett mir gegenüber. Ich wollte ihm eigentlich eine von den Valium unterschieben, die ich immer in meiner Handtasche hatte, doch als ich sah, wie er die Getränkeliste auf der Karte des Zimmerservice studierte, entschied ich mich dagegen.
Er schien nicht über seine Empfindungen im Büro
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