Der stille Sammler
er einen einheimischen Experten hinzu.«
»Er hat dich einfach packen geschickt?«
»Es war schließlich sein Fall. Leider habe ich unabsichtlich erwähnt, dass du gestern bei der Fahrt zu dem Autowrack dabei warst. Tja, der gute Morrison war verdammt sauer. Anscheinend will er keinen von uns bei der Sache dabeihaben, und Laura Coleman hat sich offensichtlich über seine Vorgaben hinweggesetzt. Gut möglich, dass sie deswegen in Schwierigkeiten steckt.«
»Ich kann Morrison nicht ausstehen.«
»Das hast du oft genug gesagt.«
»Du könntest dich trotzdem in den Fall drängen. Du hast genügend Einfluss.«
»Das war schon immer dein Problem, Stinger. Du hast nie auf der Position gespielt, die man dir zugewiesen hat.«
»Möchtest du dich trotzdem mit mir treffen?«
»Sorry, aber ich bin nicht mehr in Tucson. Ich bin vor einer Stunde zu Hause angekommen. Hier ist es jetzt halb acht. Lass mich trotzdem wissen, wenn ich dir irgendwie helfen kann, okay?«
War nett, dich zu sehen, Sig . Wir verabschiedeten uns ohne eines jener leeren Versprechen, auf jeden Fall in Verbindung zu bleiben.
Zögernd rief ich im Field Office an und bekam Laura Coleman an den Apparat. »Agent Quinn, hallo … O Gott, ja! Wo?« Ich war überrascht von ihrer Bereitwilligkeit, sich mit mir zu treffen.
»Ich habe eben Zachariah Robertson in seinem Hotel abgesetzt und bin noch in der Stadt«, sagte ich. »Treffen wir uns in dem griechischen Restaurant in der Nähe des Field Office?«
»Geht nicht. Das war der letzte Betrugsfall, an dem ich gearbeitet habe, und ich stehe kurz davor, den Inhaber wegen Geldwäsche hochgehen zu lassen.«
»Ich habe davon gehört. Trotzdem, der Gyrosteller ist ausgezeichnet«, sagte ich, doch sie hörte mir gar nicht mehr zu.
»Larry?«, rief sie mit vom Telefon abgewandter Stimme. Dann hörte ich, wie sie jemanden nach einem Lokal in der Gegend von Campbell und Speedway fragte. Eine Männerstimme antwortete: »Ich bin ziemlich sicher, dass es geöffnet hat.« Ich hörte, wie Coleman sich bedankte. Dann meldete sie sich wieder und beschrieb mir den Weg zu einer Bar in der Nähe des Sheraton, die bevorzugt von FBI -Leuten und Polizisten besucht wurde. »Der Schuppen nennt sich Emery’s Cantina«, fügte sie hinzu, nachdem sie noch ein paar Sekunden der anderen Stimme gelauscht hatte. »Ich fahre sofort vom Büro aus los.«
9.
Es gibt inoffizielle Cop-Bars – Kneipen, in denen vielleicht nicht jeder deinen Namen kennt, wo du aber trotzdem sicher sein kannst, dass dir niemand in den Rücken fällt, weil hinter der Theke eine Schrotflinte liegt. Die mit Kunstleder bezogene Ellbogenstütze an der Theke ist an verschiedenen Stellen gerissen, die Beleuchtung ist miserabel, und man denkt lieber nicht über die Küche nach. Natürlich kommen auch andere Gäste in diese Kneipen, ältliche Ehepaare mit festem Einkommen zum Beispiel, die sich schon vor Jahrzehnten alles gesagt haben, was sie einander zu sagen hatten. Die Leute kommen, weil man hier gut aufgehoben ist und weil die Preise günstig sind.
Emery’s Cantina lag in der Nähe des Hotels, vielleicht anderthalb Kilometer nördlich vom Sheraton auf der Campbell, in einem der wenigen frei stehenden Gebäude in Tucson, das noch nicht abgerissen worden war, um einem der hässlichen Einkaufszentren zu weichen, die viel eher hätten verschwinden müssen.
Ich war vor Laura Coleman dort und erkannte zwei Deputies aus dem Sheriff’s Office, wenn auch nur mit Vornamen. Wally und Cliff hielten gerade lange genug mit dem Kauen ihrer Burger inne, um eine fettige Hand zur Begrüßung zu heben – genau wie der Barkeeper hinter der Theke, einer von diesen fröhlichen Dicken, die wie ein übergewichtiges Baby aussehen.
Auf den Wink des Barmannes hin nahm ich an einem Tisch an der Wand Platz, die so bemalt war, als bestünde sie aus zerbröckelnden Lehmziegeln. Die Kellnerin kam, bevor ich Gelegenheit hatte, die kleine weiße Manschette zu öffnen, mit der meine Papierserviette um das Besteck gerollt war. Die Frau war schätzungsweise Ende zwanzig, obwohl jüngere Leute immer älter auszusehen scheinen, je älter ich selbst werde. Sie hatte die Statur einer Läuferin und war eine Schwarze. Hätte ich noch in Washington gewohnt, wäre die letzte Bemerkung überflüssig gewesen, doch in Arizona leben nicht viele Farbige.
Ich hätte bis zu Laura Colemans Eintreffen warten können, um nicht wie eine durstige Alkoholikerin zu erscheinen, aber ich blickte die Kellnerin an und
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