Der stille Sammler
Kaffeetasse verbarg, während ich versuchte, Max’ Fragen vorherzuahnen und vorauszusehen, wohin sie führten: Hast du einen weißen Van gesehen? Welche Sachen hattest du an, als du gestürzt bist?
Ich wartete, während ich in Gedanken die Anzahl von Löchern in meiner Geschichte zählte. Warum musste er so mit mir spielen?
Ich bedauerte zutiefst, was Carlo zweifellos in wenigen Augenblicken hören würde. Trotzdem blieb mir nichts anderes übrig, als die Unwissende zu spielen. »Dann erzähl uns doch, was du gesehen hast. Deiner Miene nach zu urteilen muss es etwas Interessanteres gewesen sein als ein tollwütiger Luchs.«
»Wir haben unten im Flussbett einen Wagen gefunden.«
Ich riss die Augen auf, wie ein Unbeteiligter es tun würde, hielt Max’ Blick einen Moment stand und zählte zwei Sekunden ab, bevor ich aus vorgetäuschtem Mangel an Interesse wegschaute. Dabei atmete ich tief durch die Nase ein und aus, um meinen rasenden Puls zu beruhigen, damit ich mich nicht mit meiner Stimme verriet. O Gott, so also fühlt sich ein Mörder.
»Das sieht man allerdings nicht jeden Tag. Wer hat den Wagen gefunden?«
»Clifton Davies. Du kennst ihn, nicht wahr?«
»Ja. Netter Kerl. Ich habe ihn auf deiner Party kennengelernt. Erst vor ein paar Tagen hab ich ihn in Emery’s Cantina gesehen. Kennst du die Bar?«
»Sicher, ich bin selbst hin und wieder dort.« Max schüttelte ein wenig gereizt den Kopf, weil ich nicht beim Thema geblieben war. »Clifton kam von seiner Nachtschicht und sah Bussarde über der Stelle kreisen. Da wurde er neugierig.«
»Könnte der Unfall passiert sein, als ich wieder zu Hause war?«
»Bestimmt nicht.« Es war eine große Sache für Max, und er ließ mich absichtlich im Ungewissen. »Wo hast du deine Steine gesammelt, sagtest du?«
»An der üblichen Stelle, unter der Brücke, wo sie angespült werden und wo es außerdem schattig ist.«
»Das erklärt die Sache. Clifton hat den Wagen in der Biegung des Flussbetts gefunden, nördlich der Brücke.«
»Verstehe. Ja, das erklärt die Sache. Wenn es weit genug um die Biegung herum war, konnte ich nichts sehen.« Zu viele Worte, rief ich mich zur Ordnung. Hör auf zu plappern, konzentrier dich. »Warum willst du das denn wissen?«
»Du bist die Einzige, von der wir wissen, dass sie regelmäßig da runtergeht, deshalb macht es dich zu einer potenziellen Zeugin. Aber du hättest wahrscheinlich von dir aus angerufen, wenn du etwas bemerkt hättest.«
»Natürlich. Was ist mit dem Van? Wurde er nach dem Unfall einfach zurückgelassen?«
Max’ Augen leuchteten auf, als er schilderte, wie der Tote gefunden worden war. Es war die Faszination, die wir alle empfinden, wenn es um solche Dinge geht, obwohl sie völlig unangemessen ist. »Verdammt, nein. Es war ekelhaft. Die Leiche stank zum Himmel. Der Gerichtsmediziner meint, er sei schon seit ein paar Tagen tot, aber Genaues kann er erst nach der Autopsie sagen.«
»Mein Gott.«
Das war Carlos Stimme. Ich hatte mich so auf Max’ Worte konzentriert, dass ich Carlo ganz vergessen hatte, der dabeistand und lauschte. Er sprach gedämpft, wie bei einer Beerdigung oder in der Kirche. »Weniger als zwei Kilometer von unserem Haus entfernt? Und Brigid geht jeden Tag hinunter zum Flussbett!«
»Nicht jeden Tag«, verbesserte ich ihn hastig.
Carlo war blass geworden – allein die Nachricht von einem Leichenfund in der Nähe unseres Hauses hatte gereicht. Ich schaute in sein Gesicht und stellte mir seine Reaktion vor, wenn er erfuhr, dass ich für den Toten verantwortlich war. Gar nicht zu reden vom Wie. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, am Ende vielleicht doch das Richtige getan zu haben, indem ich die Sache für mich behalten hatte. Aber da war immer noch Max, und der wurde gerade erst warm.
»Der Leichnam war im Heck des Van. Die Maden hatten sich an ihm zu schaffen gemacht, sind dann aber verschwunden, als hätten sie die Hitze nicht ausgehalten. Der Gerichtsmediziner meint, wahrscheinlich achtzig Grad Celsius, und weil der Fluss noch Wasser geführt hat, wurde die Verwesung weiter beschleunigt. Im Innern des Wagens war es wie in einem Schmortopf. Der Bastard wurde regelrecht gegart. Es gab große Risse im Fleisch, wo die Gase durchgebrochen sind.«
Cops reden genauso gerne über diesen Mist, wie kleine Jungs mit Fröschen spielen. Das ist wohl typisch Mann. Trotzdem schauderte Carlo. Er entschuldigte sich und zog sich zurück. Max wartete höflich, bis er durch die Tür war. »Ich
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