Der stille Sammler
umständlich auf den hohen Holzhocker sinken, den Carlo ihm hinschob, und legte behutsam seinen Hut auf den Frühstückstresen – nicht ohne die Steine zu bemerken, die ich dort zum Trocknen hingelegt hatte. Es waren die Steine aus dem Flussbett: meine Fundstücke aus der Zeit, als ich den Mistkerl umgebracht hatte, von dem Max mir gleich erzählen würde, da war ich mir sicher. Mir war ganz entfallen, die Steine nach draußen in den Garten zu bringen, wie ich es normalerweise tat.
Verdammt, warum hatte ich sie auf dem Tresen liegen lassen? Ich versuchte nicht hinzuschauen, während ich mich zugleich bemühte, beim Einschenken von Max’ Kaffee nicht mit der Kanne an Janes Tasse aus bayrischem Porzellan zu stoßen.
Ich beobachtete Max verstohlen. Selbst in hektischen Augenblicken wirkte er so ernst und in sich gekehrt, dass einen das Bedürfnis überkam, ihm Mut zuzusprechen, auch wenn man selbst derjenige war, der in der Bredouille saß. Gut möglich, dass Max jetzt ein bisschen angespannt war, nur war das bei ihm nicht ohne Weiteres zu erkennen. Obwohl er offensichtlich nicht hergekommen war, um mich zu verhaften, rollte ich meine Finger zusammen und stellte mir die Spitzen schwarz von Fingerabdrucktinte vor.
Max blickte skeptisch auf die Tasse mitsamt Untertasse, die ich vor ihn hingestellt hatte, als versuchte er herauszufinden, wie er seine ziemlich dicken Finger durch den zierlichen Griff schieben konnte. Nach einigem Überlegen legte er einfach die ganze Hand um die Tasse, trank einen feierlichen Schluck und steigerte die Spannung dessen, wovon ich hoffte, dass es doch keine schlimmen Neuigkeiten waren.
Ich tat so, als bemühte ich mich tapfer, chronische Rückenschmerzen zu verbergen – eine Frau, die körperlich gar nicht imstande ist, einen anderen Menschen zu töten, geschweige denn, einen Autounfall zu inszenieren –, und zog mich auf den Hocker neben Max.
Er strich sich mit der Hand durch das perfekt gekämmte, graumelierte Haar, als hätte der Hut die Frisur zerzaust, was nicht der Fall war. »Wartet nur, bis ihr das gehört habt.«
Bevor Carlo seine Neugier bekunden oder ich mich zwingen konnte, Atem zu holen, erwähnte Max die Steine auf dem Tresen. »Hast du die an der üblichen Stelle gefunden?«, fragte er.
Er wusste, dass ich gern in diesen Teil des ausgetrockneten Flussbetts hinunterstieg. Ich hatte ihn und Carlo mehr als einmal bei ihren Diskussionen und Kartenspielen am Esstisch sitzen lassen und war zurückgekehrt, bevor Max gefahren war. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Frage ehrlich zu beantworten, sonst würde Carlo merken, dass ich log. »Darauf kannst du wetten«, sagte ich und deutete auf die Steine. »Richtige Prachtstücke für meinen Steingarten.«
Kein: »Hast du einen umgestürzten Van gesehen?« Nichts, bis auf ein »Hm«. Max drehte die Steine mit einer Aufmerksamkeit in den Händen, die er normalerweise nicht für Steine übrig hatte. »Wann warst du da?«, wollte er schließlich wissen.
Sag stets so viel von der Wahrheit wie möglich – aber auch nicht mehr als nötig. Lügner neigen dazu, ihre Geschichten auszuschmücken, und das bringt sie unausweichlich in Schwierigkeiten. Ich blickte dümmlich zur Uhr, während ich mir sagte, dass es Zeit sei, wieder einzuatmen. »Vorgestern. Warum? Was ist los?«
»Macht dir die Hitze gar nichts aus?«
Was war das denn für ein Spiel? »Ich versuche immer, im Schatten unter der Brücke zu bleiben. Ist es nicht eigenartig, wie drastisch die Temperatur zurückgeht, sobald man in den Schatten kommt?«
»Ich habe ihr immer wieder gesagt, sie soll da nicht runtergehen«, erklärte Carlo arglos und streckte die Hand über den Tresen, um mir die Haare aus der Stirn zu schieben, sodass die Überbleibsel meiner Beule zu sehen waren. Ich zuckte zurück – verärgert, wie ein Forschungsobjekt behandelt zu werden. »Sieh nur, sie ist gestürzt.«
Das nennt man mehr Wahrheit als nötig. Danke, Carlo . Jetzt musste ich den Sturz in meine Geschichte mit einbauen.
Max spähte auf die Stelle, die Carlo ihm zeigte. Interessierter als gewöhnlich, hatte ich den Eindruck, aber vielleicht täuschten mich auch nur meine Schuldgefühle. Ich versuchte, schutzlos dreinzublicken.
»Muss ein übler Sturz gewesen sein«, sagte Max.
»Halb so wild. Ich bin schon schlimmer gestürzt.« Ich erhob mich vom Hocker, um in mein Büro zurückzukehren, damit niemand meinen rasenden Puls und meine zitternden Lippen bemerkte, die ich hinter der
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