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Der stille Schrei der Toten

Der stille Schrei der Toten

Titel: Der stille Schrei der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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an.
    Leben ohne Vater
    Blage mordete von nun an immer öfter, manchmal weil ihn irgendein Mann in einem Auto an den Balsamierer erinnerte oder einfach, weil das Opfer lange blonde Haare hatte wie die Köchin, die eines Tages mit ihrem kleinen Mädchen verschwunden war. Meistens jedoch mordete Blage, weil die Mutter einsam war und sich mit den Freunden langweilte, die Blage nach Hause brachte. Mit ihrem silbernen Wohnwagen kamen sie überall hin und klapperten das ganze Land ab, immer auf der Suche nach geeigneten Opfern.
    In Louisiana, wo die Lebenseichen mit langen, grauen Moos-zotteln bewachsen waren und die Menschen in einem sanften Singsang redeten, fanden sie einmal ein nahezu perfektes Opfer. Sie war Studentin an der Universität von Louisiana und der Mutter unter den vielen jungen Menschen sofort aufgefallen. Also steuerte Blage einen Campingplatz an, auf dem auch viele Studenten in Wohnwagen lebten. Sie blieben über ein ganzes Jahr und beobachteten ihr angehendes Opfer, wenn Blage nicht gerade in einer Leichenhalle arbeitete, von wo aus er ab und zu einzelne Teile mit nach Hause brachte. Die Mutter war von jedem dieser Freunde immer sehr angetan. Wenigstens für eine gewisse Zeit.
    Manchmal ging Blage mit anderen jungen Leuten seines Alters auf dem Unigelände spazieren, und ihn überkam dann der Wunsch, auch zu studieren. Aber letztlich war er doch zufrieden mit seiner Situation. Tote Menschen waren die einzigen, denen man vertrauen konnte; sie waren treu und verschwiegen und ließen einen in Ruhe, wenn man seine Ruhe haben wollte. Eines Tages im April war es dann so weit. Blage beschloss, die kleine Studentin zu ermorden und der Mutter nach Hause zu bringen. Drei Wochen lang verfolgte er sie auf Schritt und Tritt und ließ sie nicht mehr aus den Augen, bis sie eines Abends allein über das Unigelände in Richtung Buchladen ging. Blage folgte ihr auf dem Weg zurück zu dem Appartementblock, in dem sie wohnte, und als sie die Außentreppe zum dritten Stock hinaufging, packte sie Blage von hinten, eine Hand auf ihren Mund gepresst, und warf sie über das Geländer hinunter auf den Betonboden. Ein Mitbewohner im ersten Stock sah sie vom Balkon aus vorbeifallen und schrie laut auf, weshalb Blage sofort wegrannte. Der feurige Strom begann sich abzukühlen, und als Blage das Heulen der Sirenen des Rettungswagens hörte, wurde er hungrig. Auf dem Nachhauseweg nahm er in einem Schnellrestaurant noch zwei Chalupas mit, gefüllte Teigtaschen, eine für ihn selbst und eine für die Mutter.
    Blage war dreiundzwanzig Jahre alt.
    Das nächste Opfer war eine alte Frau. Blage und die Mutter hatten sich schon ein ganzes Jahr in Kalifornien aufgehalten, und es hatte lange gedauert, bis Blage sie aufspürte. Sie hütete ein Kind, dessen Mutter bei der Arbeit war, und die Mutter war Polizistin, weshalb Blage extra vorsichtig sein musste. Es war jedoch eine hübsche und ruhige Wohngegend, und die Menschen dort gingen früh schlafen, damit sie am nächsten Morgen wieder aufstehen und zur Arbeit gehen oder ihre Kinder ohne Verspätung zur Schule bringen konnten. Dadurch konnte Blage ungehindert durch die Straßen bummeln und in die Fenster spähen, ohne dass ihn jemand dabei bemerkte.
    Die alte Frau lebte in einem pfirsichfarben gestrichenen Haus. Im Erdgeschoss war ein Fenster offen, und Blage benutzte eine Taschenlampe, um den Weg nach oben in die Küche zu finden. Das Haus war absolut still. In einem der Schlafzimmer stand ein Kinderbett, und von einem Schränkchen aus warf eine Lampe einen Sternenhimmel samt Mond an die Decke. In dem Bett schlief ein etwa zwei Jahre altes blondes Kind. Blage meinte, es wäre ein Junge, aber es hätte auch ein Mädchen sein können. Blage betrachtete es geraume Zeit. Der kleine Kopf reflektierte das Licht wie ein Spiegel. Das Feuer loderte hoch, und Blages Hand umklammerte den Baseballschläger fester.
    An der Tür schnappte jemand vor Schreck nach Luft, und Blage, der sich blitzschnell umgedreht hatte, sah noch, wie die Frau den Flur entlang auf das hintere Schlafzimmer zulief. Blage rannte ihr nach und holte mit dem Baseballschläger aus, als sie nach dem Telefon auf dem Nachttisch griff. Er hieb mehrmals auf sie ein, bis sie reglos liegen blieb. Blage zog das Hackmesser heraus, unterbrach aber, als ein Scheinwerferpaar in die Einfahrt bog und ein schräges Muster von den Jalousien quer über die Wand hinter dem Bett warf. Die Scheinwerfer erloschen, und ein Mann stieg aus. Da hörte Blage

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