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Der stille Schrei der Toten

Der stille Schrei der Toten

Titel: Der stille Schrei der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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    Leben ohne Vater
    Dies war der glücklichste Tag in Blages Leben. Das kleine Mädchen war zurückgekehrt, und sie waren wieder dicke Freunde. Während sie schlief, hatte Blage die beiden Cobalt-Schnellboote, die unten am Steg festgemacht waren, auf den See hinausgebracht und sie dort treiben lassen, damit ihm niemand auf die Spur kam. Blage war im Kanu durch den strömenden Regen zurückgepaddelt und war nass bis auf die Haut geworden, aber nun würde niemand kommen und das kleine Mädchen suchen und es ihm wieder wegnehmen. Nun würde das Mädchen Blage für immer gehören.
    Blage musste allein bei dem Gedanken daran lächeln. Das kleine Mädchen war nun im Zimmer der Mutter. Sie vergnügte sich mit Blages Mutter und deren Freunden, und sie lächelte Blage auf genau die Weise zu, wie sie es zu tun pflegte, ehe sie Blage mit dem Balsamierer alleingelassen hatte. Nun würden sie für immer und ewig zusammenbleiben, und Blage würde alles tun, damit sie immer glücklich war und lachte.
    Das Abendessen war ein großer Erfolg gewesen, und das kleine Mädchen hatte ihm gesagt, dass ihm der Hackbraten sehr gut geschmeckt hatte. Es beklagte sich wegen ihrer Schulter, und Blage hatte ein schlechtes Gewissen, weil er ihm hatte wehtun müssen. Aber es würde wieder genesen. Blage würde es gesund pflegen, und sie würden hinaus ins Freie gehen, wenn das Gewitter vorüber wäre, würden schaukeln und spielen und Mr Twitchy Tail wieder füttern. Was für ein Glück. Blage summte vor sich hin, und bestrich den noch warmen Schokoladenkuchen mit einer Karamellglasur. Die Kleine würde hingerissen sein von diesem Kuchen. Blage zündete die Kerzen an und trug ihn ins Zimmer der Mutter.
    Das kleine Mädchen lag auf dem Bett und lächelte Blage zu. Oh, gut, der Kuchen gefiel ihm. Hatte sich Blage doch gleich gedacht. »Dein Lieblingskuchen, nicht wahr? Schokolade?«, fragte er. Die Kleine nickte. Ihre Augen wirkten verängstigt. Das gefiel Blage nicht, aber er sah darüber hinweg, weil es so schön war, sie wieder da zu haben.
    »Ich mag sie nicht«, sagte seine Mutter plötzlich. »Du liebst sie mehr als mich.«
    »Nein, das stimmt überhaupt nicht«, sagte Blage. »Wie kannst du so was sagen.«
    »Du liebst sie auch mehr als mich«, sagte der Bruder. »Du hast ihr das größte Stück Hackbraten gegeben, und du hast dich zu ihr gesetzt und sie gefüttert und uns alle ignoriert.«
    Blage presste die Hände auf die Ohren, um ihre Klagen nicht länger anhören zu müssen. Jetzt schrien sie sogar, alle auf einmal, laut und durchdringend, bis er nicht mehr geradeaus denken konnte.
    »Was ist mit dir, Dottie? Geht’s dir nicht gut?«
    Das kam von dem kleinen Mädchen, und Blage sah zu ihm hinunter.
    Die Mutter kreischte: »Sogar deinen Namen hat sie vergessen. Sie nennt dich bei diesem erfundenen Namen, den du angenommen hast. Sie liebt uns nicht. Sie hasst uns. Und ich hasse sie!«
    »Hör auf damit! Ich will das nicht hören!«, schrie Blage und machte dann etwas, was er noch nie zuvor getan hatte: Er versetzte seiner Mutter einen derartigen Schlag, dass sie vom Teller fiel, was er aber fast im selben Moment bereute. Er hob sie vom Boden auf und wiegte sie im Arm, während das kleine Mädchen aus dem Bett zu ihnen herüberstarrte. Sie schien sich schon wieder zu fürchten, und das trieb Blage zur Weißglut.
    »Wegen dir habe ich meine Mutter geschlagen«, heulte Blage. »Tut mir leid, Momma, Entschuldigung, aber sie ist schuld.«
    »Sie ist böse«, sagte die Freundin der Mutter. »Sie muss sterben. Dann wird sie nett zu uns sein. Ich musste auch erst sterben, ehe ich nett zu euch war. Weißt du das nicht mehr, Blage? Wir alle mussten sterben, ehe wir nett waren und hier mit dir leben konnten.«
    »Aber töten will ich sie noch nicht. Ich liebe sie«, heulte Blage mit Tränen im Gesicht.
    »Dottie, bitte, bring mich nicht um. Ich liebe dich auch. Ich bin gern hier«, sagte das kleine Mädchen. Sein Gesicht war kreidebleich und angespannt. Es versuchte, sich loszureißen. Es versuchte zu fliehen.
    »Doch, du musst!«, sagte Blages Mutter.
    »Töte sie, los, töte sie, noch bevor du den Kuchen servierst«, sagte ihre neue Freundin Suze.
    »Los, tu es, sofort, dann wird sie nett zu uns sein«, sagte der Bruder.
    »Töte sie jetzt, töte sie, töte sie!«, schrien sie alle im Chor.
    Das Geschrei hielt an, so sehr sich Blage auch bemühte, sie zum Verstummen zu bringen, indem er ihnen die Sache mit dem kleinen Mädchen erklärte und

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