Der stille Schrei der Toten
Nase gewesen waren, klaffte ein großes schwarzes Loch. Die Luft in dem Raum war drückend heiß. Ein Gewimmel von Fleischfliegen, die durch Löcher in den Fenstergittern hereingefunden hatten, drängte sich laut summend auf der nässenden Wunde.
Die Wand hinter der Leiche war voller Blut und Hirnmasse, verspritzt über Tausende von Fotos von Sylvie Border, die mit Klebestreifen an der verblichenen, gelb-rosa gestreiften Tapete befestigt waren. Tatsächlich waren alle vier Wände mit Bildern von Sylvie zugepflastert. Manche der Bilder stammten aus Highschool-Jahrbüchern; die Mehrzahl war aus Kinozeitschriften und einem Magazin für Seifenopernfans ausgeschnitten. Auf einem Tischchen neben einem zerwühlten Bett gab es noch ein gerahmtes Foto, das die beiden zusammen auf einem Jahresabschlussball zeigte, und ein großformatiges von ihr in blauweißer Cheerleaderuniform. Marc Savoy hatte in einem Sylvie Border gewidmeten Schrein gelebt.
Ich ging in die Hocke und sah mir die Leiche genauer an. Anscheinend hatte Black in seinem Leben selbst schon so manchen Toten gesehen, denn er hatte keine Probleme damit, sich neben mir vor den sterblichen Überresten des Mannes hinzuknien.
Er sagte: »Sieht mir mehr wie ein Selbstmord aus. Hat er was Schriftliches hinterlassen?«
»Ich hab mich umgesehen. Da ist kein Abschiedsbrief. Fassen Sie nichts an. Kommen Sie, wir gehen raus, und ich ruf den Sheriff an.«
Black folgte mir nach draußen, wo wir beide gierig nach Luft schnappten, aber der Geruch des Todes klebte an uns wie ein Pesthauch.
Ich hoffte, als ich mein Handy aus der Tasche zog, hier draußen eine Verbindung zu bekommen. Black sah mir zu und sagte: »Vielleicht ist er Sylvie nach Cedar Bend gefolgt, hat sie ermordet, weil er sie nicht kriegen konnte, und konnte dann mit der Schuld nicht leben.«
Ich hielt das Telefon in der Hand und sah ihn an. »Das also ist Ihre Sicht der Tat?«
Ich starrte ihn an, und er starrte zurück. »Könnte aber doch auch so gelaufen sein. Anstatt darauf zu warten, bis die Polizei und die Justiz alles vermasselt, haben Ihre Mafiafreunde einfach Selbstjustiz geübt. Vielleicht treten Sie ja als ihr Fürsprecher auf?«
Black stand stockstill, aber ich konnte die in ihm aufsteigende Wut förmlich sehen. »Das ist doch lächerlich, und sie sind auch nicht meine Freunde.«
Erstaunt darüber, dass er seine kühle Gelassenheit doch noch verloren hatte, lächelte ich und sagte: »Kein Grund, nervös zu werden, Black, vorausgesetzt, Sie haben nichts zu verbergen.«
Mit wütend finsterem Gesicht beobachtete mich Black, wie ich den Polizeinotruf 911 wählte. Ich stellte mich als Kollegin aus Missouri vor und meldete das Verbrechen dem für die Region Lafourche zuständigen Department, indem ich genau darüber berichtete, welche Entdeckung wir wann und wo gemacht hatten.
Leben mit Vater
Seit das Kind im Bett des Vaters geschlafen hatte, beharrte der Vater nicht mehr auf der Einhaltung aller Verhaltensregeln. Blage durfte jetzt das Haus verlassen und im Wald oder an dem kleinen Bach am hinteren Ende des Grundstücks spielen.
Eines Tages saß Blage auf seiner Autoreifenschaukel nahe der Remise am Ende des alten Fahrwegs, als ein kleines, ungefähr sechs Jahre altes Mädchen über den Rasen auf ihn zugelaufen kam. Zuerst zweifelte Blage daran, ob sie überhaupt echt war.
»Hi«, sagte das Mädchen. »Wie heißt du?«
Blage bremste die Schaukel mit den Füßen ab und starrte das kleine Mädchen entgeistert an. Sie hatte lange blonde Zöpfe und war sehr hübsch. Blage hatte noch nie ein anderes Kind gesehen, außer dem fünfjährigen Jungen, der in einem Schwimmbad ertrunken war und den sein Vater einbalsamiert hatte.
»Mein Vater nennt mich Blage.«
»Was für ein lustiger Name.«
»Bist du echt?«, fragte Blage, indem er die Hand ausstreckte, um sie zu berühren.
Sie sagte: »Warum flüsterst du?« Dann sagte sie: »Mir gefällt deine Schaukel. Darf ich mal?«
Blage stieg herunter und ließ den Reifen zwischen ihnen hin-und herschwingen, aber das Mädchen mit den Zöpfen war zu klein, weshalb Blage sie hochhob. »Jetzt schieb mich an«, forderte das kleine Mädchen ihn auf. »Ich will ganz hoch hinaus, so hoch wie die Vögel. Ich habe ein zahmes Eichhörnchen, Mr Twitchy Tail. Er läuft mir entgegen, direkt vom Baum herunter, und frisst Eicheln aus meiner Hand. Du darfst ihn auch füttern, wenn du willst.«
Blage nickte und ließ die Schaukel immer höher steigen, und das kleine Mädchen
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