Der stille Schrei der Toten
er sich ohne ein weiteres Wort.
Ich bekam ein schlechtes Gewissen, weil der Hinweis auf Marc Savoy ja von ihm stammte, und dann wurde ich wütend auf mich selbst. Das Verhältnis mit ihm wurde mir viel zu persönlich, weshalb ich mir auf der Stelle schwor, von nun an nur mehr auf einer unpersönlichen Ebene mit ihm zu verkehren. Bis wir die sterblichen Überreste von Marc Savoy in einem Leichensack verpackt in seinem alten Kanu verstaut hatten, war es dunkel geworden. Ich mochte die Sümpfe schon bei Tage nicht, und die Vorstellung, sie bei stockfinsterer Nacht zu durchqueren, war mir vollends ein Graus. Während der ganzen Fahrt zurück zum Department von Lafourche wartete ich nur darauf, jene sagenumwobene Kreatur aus dem Film »Der Schrecken vom Amazonas« könnte plötzlich aus den schwarzen Fluten emporschießen und mich in seinen unterirdischen Bau verschleppen. Als wir Aldus Heberts Haus passierten, hörte man über das Tuckern des Motors des Polizeiboots hinweg die munteren Klänge einer für die Region typischen Zydecoband. Ich sah in Richtung der Lichterketten und hielt Ausschau, ob ich Nick Black unter den Tanzenden ausfindig machen konnte, sah ihn aber nicht. Da überlegte ich kurz, ob ich einen Zwischenstopp einlegen sollte, aber die Nacht hier mit Black zu verbringen, hieße, das Schicksal regelrecht herauszufordern, und ich hatte sowieso schon genug am Hals.
Als ich das Department verließ, war es weit nach Mitternacht. Einer der dortigen Kollegen nahm mich zum Flughafen mit, von wo aus ich mit der Frühmaschine nach Hause flog. Während des Flugs schlief ich zwar durchgehend, fiel aber dennoch, kaum war ich in meinen eigenen Wänden angekommen, todmüde ins Bett. Erst am späten Nachmittag fühlte ich mich einigermaßen erfrischt und bereit, wieder zur Arbeit zu gehen.
Ich brachte einige Zeit mit der Vorbereitung meines Dienstreiseberichts zu und schaute dann gegen halb sieben an diesem Abend bei Harve vorbei. Ich drückte ihm die Mappe mit den Ergebnissen von Sylvies Obduktion in die Hand, die er sich am Küchentisch in Ruhe ansehen sollte, während ich mir eine Dose Saft aus dem Kühlschrank holte. »Dot ist zum Fischen gegangen?«
»Ja. Sie und Suze haben versprochen, jede Menge Sonnenbarsch fürs Abendessen zu bringen. Wenn du bleibst, können wir uns ausgiebig darüber unterhalten.«
»Ein andermal wieder. Ich will mir den Tatort bei Nacht ansehen. Gut möglich, dass der Täter sie nach Einbruch der Dunkelheit überfallen hat. Von daher will ich mir ein Bild der Situation machen, wie er sie gesehen hat.«
Harve sah von der Mappe auf. »Du meine Güte. Der Kopf war mit Klebeband am Stuhl befestigt?«
»Das Isolierband hielt ihn an Ort und Stelle. Weißt du, Harve, ich hab mir schon bei der Bergung gedacht, dass mit dem Kopf was nicht stimmt, aber keiner von uns wäre auf die Idee gekommen, dass er abgetrennt war, bis eben Buckeye das Klebeband durchtrennte.«
»Warum um Himmels willen trennt jemand den Kopf ab, um ihn anschließend wieder am Körper festzumachen? Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Ich habe von Fällen gehört, bei denen der Kopf als eine Art Trophäe geraubt wird, aber so etwas ist mir noch nicht untergekommen.«
»Vielleicht hat er im Affekt gehandelt und die Tat anschließend bereut? Darum der Versuch, den Kopf wieder am Körper zu befestigen.« Ich öffnete die Getränkedose und nahm einen Schluck. Harve hielt sich an einem Bier fest.
»Affekte spielen bei diesem Mord keine große Rolle. Das Opfer wurde mit einem Gegenstand geschlagen, der diese halbmondförmigen Male hinterlässt, aber doch auch wiederum nicht so schlimm, vom Gesicht einmal abgesehen, und ein Teil dieser Verunstaltungen könnte auf das Konto der Fische gehen.«
Plötzlich war mir der Appetit auf gebratenen Sonnenbarsch vergangen, und Dotties Fischpfanne kam für mich definitiv nicht mehr in Frage. »Kennst du ähnliche Fälle wie diesen?«
Harve schüttelte den Kopf. »Wir beide hatten mit Fällen zu tun, bei denen das Opfer auf bestimmte Art positioniert wurde, vor allem bei Serienmorden, aber das hat in der Regel einen Grund. Vielleicht könnte uns die FBI-Datenbank für abgetrennte Körperteile weiterhelfen. Ich habe einen Freund, der eine Abfrage startet, wenn ich ihn darum bitte. Vielleicht finden wir etwas, das in einem Zusammenhang mit der Sache hier steht.« Er runzelte die Stirn. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, warum der Täter den Kopf wieder am Körper festgemacht hat.«
»Den
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