Der stille Schrei der Toten
kommen.«
»Wusst ich’s doch, Sie landen wieder in einer Limo, kaum dass der Trip zu Ende ist.«
Die sarkastische Bemerkung überhörte er geflissentlich, und so verbrachte ich die nächsten zehn Minuten damit, jeden Quadratzentimeter meiner freiliegenden Haut mit ungefähr einer halben Dose Insektenspray einzusprühen. Dann sah ich mich in der unheimlichen Umgebung um und sagte: »Sie wissen schon, wo wir hier sind, oder? Für mich sieht das nämlich alles irgendwie gleich aus: Zypressen, Libellen und dieses gespenstische weiße Moos, das überall an den Bäumen hängt.«
»Keine Angst, ich kenn mich aus. Diese großen Libellen nennen wir übrigens Königslibellen.«
»Wir? Hört sich so an, als wären Sie viel länger hier gewesen als nur für’s Studium.«
»Ich habe auch kein Problem damit, zu sagen, ›ich nenne sie Königslibellen‹. Zufrieden?«
Ich runzelte die Stirn und fuhr mir mit den Fingern durchs Haar. Das blöde T-Shirt war irre heiß, und ich zupfte daran und ließ den Stoff flattern, um mir Kühlung zu verschaffen.
Black beobachtete mich ein paar Sekunden und sagte dann: »Es wäre angenehmer ohne dieses T-Shirt.«
Ich erwiderte sein breites, vielsagendes Lächeln. »Das T-Shirt ist gerade recht.«
Black lachte und schüttelte den Kopf. »Wissen Sie was, Detective? Jemand wie Sie ist mir noch nie begegnet. Unberechenbar, unfreundlich, unkooperativ, un-alles, aber verdammt, ich mag Sie trotzdem.«
»Mannomann, danke. Jetzt kann ich endlich ruhig schlafen.«
Es dauerte fast vierzig Minuten, bis wir bei Aldus Hebert und seiner Hütte im Sumpf angekommen waren. Ich zappelte die ganze Zeit über herum, weil mich die dicken Mokassinschlangen im Wasser und die Augen der Alligatoren nervös machten, die uns überall belauerten, wo wir an ihnen vorbeituckerten.
Black lebte sichtlich auf, als das Anwesen endlich in Sicht kam. »Hier sind wir. Das Haus steht schon seit siebzig Jahren hier draußen in der Lichtung. Da ist er ja schon, Aldus, auf der Veranda.« Er hob den Arm und winkte.
Ich drehte mich halb um und schaute auf den alten Mann in einem noch älteren Schaukelstuhl. Er saß auf der Eingangsveranda eines kleinen, grau verwitterten Hauses mit verrostetem Wellblechdach.
Aldus stand auf und winkte zurück, als das Boot an der Anlegestelle auflief. Gleichzeitig kamen mindestens zehn Mischlingshunde mit lautem Gebell und neugierig schnüffelnd angerast.
»Nach Einbruch der Dunkelheit steppt hier der Bär. Hier treffen sich die Leute aus dem ganzen Umkreis und feiern die ganze Nacht. Genau das Richtige für Sie«, sagte Black nun seinerseits sarkastisch.
»Mm-hmm. Beißen die?«
»Nur wenn Sie Aldus blöd kommen.«
Black stieg aus dem Boot, und ich sprang, ohne auf seine ausgestreckte Hand einzugehen, an Land. Ich komme gut alleine zurecht und hab die Schusshand gerne frei.
Aldus stieg die Verandastufen herunter und kam uns entgegen. Black umarmte den alten Mann stürmisch. »Oh Mann, schön, dich zu sehen«, sagte er und wechselte dann in eine Sprache, von der ich glaubte, es war Cajun-Französisch.
»Garde voir le beau belle!«, rief Aldus und schüttelte den Kopf, sodass der graue Rauschebart und die Haare hin- und herflogen. Ein wenig erinnerte er mich an Charles Manson in besseren Tagen, ohne das auf der Stirn eingeritzte Hakenkreuz. Er neigte scheinbar dazu, alles was er sagte, laut herauszuschreien. Vielleicht war er es gewohnt, vorbeifahrenden Booten etwas zuzurufen.
»Was hat er gesagt?«, fragte ich Black.
»Nichts, was Sie wissen wollten.«
»Au contraire«, sagte ich voller Stolz auf die paar Brocken Französisch, die ich konnte. »Klar will ich’s wissen.«
»Okay. Er hat gesagt ›Sieh an, was für eine schöne Freundin‹.«
»Sagen Sie ihm, ich bin nicht Ihre Freundin.«
Der Alte schwatzte auf Cajun weiter, und seine dunklen Augen begannen zu leuchten, als er mich von oben bis unten taxierte, als wollte er gleich auf mich bieten.
»Er ist viel allein hier draußen«, erklärte Black.
»Ga, ga, ga«, sprudelte es weiterhin auf Cajun aus Aldus hervor. Dazu kräuselte er die Augenbrauen wie ein richtiger alter Lüstling. Ja, der Bursche war durch und durch ein Sumpfplayboy, allerdings in einem Baumwolloverall und ohne Hemd anstatt in einem schwarzen Seidensmoking. Irgendwie war er nicht der Typ Mensch, mit dem Black sich normalerweise abgab.
»Was haben Sie eigentlich für ein Verhältnis zu ihm?«, fragte ich.
»Hab ich doch gesagt. Er ist ein alter Freund
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