Der Stolz der Flotte
gefunden, sich zu überlegen, was die Admiralität von Broughtons Bericht denken würde. Das alles war ja schon sehr lange her, und so schienen die Kämpfe um Djafou und das, was man dort vorgefunden hatte, schien die letzte verzweifelte Schlacht gegen einen doppelt so starken Feind zu verblassen und an Realität zu verlieren. Broughton fühlte offenbar ähnliches, denn die meiste Zeit verbrachte er in der Abgeschlossenheit seiner Kajüte oder ging allein auf der Kampanje auf und ab, wobei er jeden außerdienstlichen Kontakt vermied.
Und dann, vor zwei Tagen, war die Vorladung gekommen. Broughton und sein Flaggkapitän sollten sich unverzüglich auf der Admiralität melden. Unerwarteterweise war mit ihnen zusammen auch Herrick vorgeladen worden. Er hatte Bolitho schon im Vertrauen gesagt, er würde sich wohl zu dem Verlust der
Impulsiv
e
des näheren äußern müssen; doch Bolitho glaubte das nicht. Er hielt es für wahrscheinlicher, daß Herrick als der einzige Kommandant, der nicht von Anfang an an den Aktionen des Geschwaders beteiligt gewesen war, als unparteiischer Zeuge seine Aussage machen sollte. Dabei war nur zu hoffen, daß er nicht etwa aus blinder Loyalität seine eigene Stellung gefährdete.
Doch was auch geschah, Adam hatte jedenfalls den ersten Schritt auf der Erfolgsleiter getan. Er hatte sein Leutnantspatent mit einer Leichtigkeit erhalten, die ihn offenbar selbst überraschte, und befand sich jetzt an Bord der
Euryalus
,
wo er sich vermutlich über die Zukunft seines Onkels Gedanken machte.
Eine Tür ging auf, und Broughton schritt durchs Zimmer auf den Korridor. Bolitho hatte ihn seit Verlassen des Schiffes nicht mehr gesehen, und so fragte er rasch: »Ich hoffe, es ist alles gutgegangen, Sir Lucius?«
Broughton schien seine Anwesenheit erst jetzt gewahr zu werden und musterte ihn abweisend. »Ich habe einen Posten in New South Wales bekommen: Aufbau und Verwaltung unserer australischen Flotte.«
Bolitho suchte seine Bestürzung zu verbergen. »Das ist aber eine große Aufgabe, Sir.«
Flüchtig sah der Admiral zu Herrick hinüber. »Kaltgestellt.« Er wandte sich um. »Ich hoffe, Ihnen wird’s besser gehen.« Und mit einem kurzen Nicken ging er hinaus.
Herrick explodierte. »Bei Gott, ich weiß ja nicht sehr viel von Broughton, aber das ist verdammt grausam! Er wird da draußen ver
faulen, und hier in London werden ein paar gepuderte Lackaffen fett, dank der Anstrengungen solcher Männer!«
Bolitho lächelt melancholisch. »Sachte, Thomas. Ich denke, Sir Lucius hat so etwas erwartet.«
Mit plötzlicher Bitterkeit dachte er an den Rädelsführer der
Aurig
a
Meuterei, diesen Tom Gates. Er sah ihn noch vor Augen, wie er da in dem kleinen Wirtshaus an der Veryan Bay ihm gegenüber am Tisch saß, und dann wieder in der Kajüte mit Captain Brice. Fast das erste, was ihm in Portsmouth Point vor Augen kam, war der verwitterte Leichnam eben jenes Tom Gates gewesen, der als grauenhafte Mahnung an den Preis der Revolte dort am Galgen baumelte. Wie seltsam das Schicksal spielt: der Zweite Offizier der
Aurig
a
war von den Franzosen gegen einen in England gefangenen französischen Offizier ausgetauscht worden. Er hatte eine Stelle auf einer anderen Fregatte bekommen und dort Tom Gates entdeckt, der sich unter falschem Namen verbarg. Alle seine ehrgeizigen Hoffnungen begrabend, hatte sich Tom Gates unter einfachen Matrosen verbergen müssen und war doch am Strick geendet, wie so viele nach der Meuterei.
Wieder ging die Tür auf, und ein Leutnant sagte: »Sir George läßt bitten.« Und als Herrick zurücktreten wollte: »Sie ebenfalls, bitte.«
Es war ein elegantes Zimmer, mit vielen Bildern und einer großen Büste Raleighs auf dem Kaminsims, unter dem ein lebhaftes Holzfeuer prasselte.
Admiral Sir George Beauchamp blieb an seinem Schreibtisch sitzen, deutete aber kurz auf zwei Stühle. Verstohlen musterte Bolitho diesen Mann, der da in Papieren blätterte. Das also war Beauchamp, seit Kriegsbeginn Reorganisator der britischen Flotte. Ein Mann, der wegen seiner Weisheit und seines Humors bekannt war. Und wegen seiner Strenge. Er war dünn und hielt sich ziemlich gebückt, als drücke ihn sein goldbetreßter Rock zu Boden.
»Ah, Bolitho.« Mit kalten, unbewegten Augen blickte er hoch. »Ich habe Ihre Berichte aufmerksam gelesen. Interessante Lektüre. «
Bolitho hörte Herrick neben sich schwer atmen. Was würde Beauchamp jetzt weiter zu sagen haben?
»Ich kannte Sir Charles Thelwall, Ihren
Weitere Kostenlose Bücher