Der Stolz der Flotte
zähnebleckenden Kerl herumriß. Aber brüllend wie ein verwundetes Raubtier stürzte er sich auf Bolitho; die messerscharfe Schneide des Beiles beschrieb einen silbrigen Bogen, und Bolitho mußte gegen die Kampanje zurückweichen. Ein Matrose brach mit gefällter Pike vor, aber der Riese hieb sie zur Seite und führte einen wohlgezielten Schlag nach des Mannes Nacken, der wild um sich schlagend, mit fast vom Rumpf getrenntem Kopf, auf die Planken stürzte.
Bolitho wußte: ließ er sich gegen die Kampanje drücken, würde ihn der Pirat genauso niederhauen. Er riß sich zusammen, und als der Kerl die Axt hoch über den Kopf schwang – die tiefe Stichwunde schien er gar nicht zu spüren –, fiel er mit dem Degen aus, die Spitze direkt auf die vom Bart bedeckte Kehle gerichtet. Aber seine Schuhsohle rutschte in einer Blutlache aus, er verlor das Gleichgewicht, stürzte schwer gegen eine Kanone, klirrend entfiel der Degen seiner Hand und lag außer Reichweite auf den Planken.
In diesem Sekundenbruchteil sah er die ganze Szene wie ein einziges großes Gemälde vor sich, die verzerrten Gesichter so deutlich, wie sie der Maler vor sich sieht: Allday, zu weit weg, um ihm helfen zu können, im Gefecht mit einem Piraten. Grindle und ein paar Matrosen im verzweifelten Handgemenge auf dem Decksgang; blitzende, klirrende Säbel, in Wut und Schrecken aufgerissene Augen.
Und den Mann mit dem Beil sah er ebenfalls, der hochgereckt auf seinen nackten Zehen stand, als wolle er zum Hieb Maß nehmen. Der Kerl grinste tatsächlich; offenbar genoß er diesen Moment.
Den Schuß konnte Bolitho in dem furchtbaren Getöse nicht hören, aber er sah, wie sein Angreifer vorwärts taumelte, auf einmal nicht mehr Inbegriff der Mordlust, sondern des tiefen Erstaunens – dann verzerrte sich das Gesicht im Todeskampf, und er stürzte schwer zu Bolithos Füßen hin.
Witrands Pistole rauchte noch über seinem linken Unterarm; er ließ sie sinken und schrie: »Sind Sie verletzt,
capitaine
?«.
Bolitho tastete nach seinem Degen, stand auf und schüttelte den Kopf. »Nein – aber danke!« Er grinste. »Ich glaube, dieses Gefecht gewinnen wir.« Richtig. Schon zogen sich die Enterer auf den Decksgängen zurück und ließen ihre Toten und Verwundeten liegen, die bei dem noch hin- und herwogenden Rückzugsgefecht unter die Füße der Kämpfenden gerieten.
Bolitho war an ein paar schreienden Spaniern vorbeigerannt und stand neben Allday. Sein Degen parierte einen Skimitar und riß Al ldays Gegner eine lange, rotklaffende Schulterwunde. Allday sah den Mann zur Seite taumeln und hieb ihn mit dem schweren Entersäbel nieder: »Damit du schneller zur Hölle fährst, du Hund!«
Bolitho wischte sich das schweißtriefende Gesicht und blickte in das längsseit liegende Boot. Es hatte bereits abgestoßen und kam von der Bordwand klar, ein paar Enterer konnten eben noch hineinspringen. Unter dem schmalen Deck hockten die Ruderer und versuchten verzweifelt, ihre Riemen von der Bordwand der
Navarr
a
freizubekommen.
Von unten knallten Musketenschüsse; dicht neben seiner Hand streifte eine Kugel das Schanzkleid, und er sah, wie ein Mann im roten Gewand auf ihn deutete, um einige Scharfschützen auf dem schmalen Achterdeck aufmerksam zu machen.
Aber die Riemen kamen in Gang, Trommelschlag übertönte das Triumphgeschrei der spanischen Matrosen, die Schmerzensschreie der Verwundeten und die Hilferufe der im Wasser paddelnden Piraten. Langsam löste sich die Schebecke von der Bordwand.
Wie Bolitho sah, lagen die anderen Fahrzeuge über eine Meile entfernt; sie mußten sich während des Kampfes absichtlich außer Schußweite gehalten haben.
Jetzt fiel ihm Meheux in der Kajüte wieder ein; heiser rief er: »Ich muß ihm sagen, daß er noch mal feuert!«
Er rannte nach achtern und stürzte beinahe über einen Toten, dessen gebrochene Augen zu den leblosen Segeln aufstarrten – die Rechte umklammerte noch den blutverschmierten Entersäbel. Es war Steuermannsmaat Grindle; seine wehenden grauen Haarsträhnen sahen aus, als wollten sie irgendwie ohne ihn leben bleiben.
»Schaffen Sie ihn weg, Allday«, sagte Bolitho.
Allday stieß den Entersäbel in die Scheide und sah Bolitho nach. Müde sprach er zu dem Toten: »Du warst zu alt für so was, mein Freund.« Dann zog er ihn sorgfältig in den Schatten des Schanzkleids. Eine schmierige Blutspur blieb auf den Planken zurück.
Meheux konnte noch einen Treffer anbringen, ehe der Feind durch Ruderkraft außer
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