Der Stolz der Flotte
ebensowenig bezwingen konnte wie seine Höhenangst.
»Da liegt er, Captain«, hörte er Alldays Stimme wie von fern, »da beim Lampenraum.«
Er trat hinter Allday über zwei flache, mit Leinwandfetzen belegte Stufen. Im Schein der kreisenden Laternen hörte er Stöhnen, Keuchen und leise, tröstende Frauenstimmen. Als er einmal kurz den Kopf wandte, sah er ein paar spanische Bäuerinnen, die sich von der schweren Arbeit an den Pumpen ausruhten. Sie waren nackt bis zur Taille; Brüste und Arme glänzten vor Schweiß und Bilgewasser; die verfilzten Haare hingen ihnen in die von Anstrengung gezeichneten Gesichter. Sie dachten gar nicht daran, ihre Blöße zu bedecken, und schlugen auch nicht die Augen nieder, als er vorbeiging; eine schenkte ihm sogar ein müdes Lächeln.
Bolitho blieb stehen und kniete dann bei Luis Pareja nieder. Man hatte ihm seinen eleganten Anzug ausgezogen, und er lag unter den leise schwankenden Laternen wie ein dickes Kind; doch seine Augen waren reglose, dunkle, schmerzerfüllte Löcher. Der breite Verband um seine Brust war blutdurchtränkt; in der Mitte glomm ein runder hellerer Fleck im dämmerigen Licht wie ein rötliches Auge; und mit jedem Atemzug floß sein Leben dahin.
Leise sagte Bolitho zu ihm: »Ich bin zu Ihnen gekommen, so schnell ich konnte, Senor Pareja.«
Langsam wandte sich das runde Gesicht ihm zu, und er sah, daß Parejas Kopf nicht, wie er erst gedacht hatte, auf einem Kissen lag, sondern auf einer blutverschmierten Schürze, und diese bedeckte die Knie einer Frau – Parejas Frau, wie er sah, als die Laterne etwas höher schwang. Ihre dunklen Augen ruhten nicht auf ihrem sterbenden Gatten, sondern starrten unbewegt in die Dunkelheit. Das Haar hing ihr lose und ungeordnet über Gesicht und Schultern, doch atmete sie ganz regelmäßig, als sei sie völlig unbewegt; aber vielleicht war sie auch nur betäubt von dem Schrecklichen, das sie durchgemacht hatte.
Undeutlich begann Pareja zu sprechen: »Sie haben alle diese Me nschen gerettet, Captain. Vor den mörderischen Sarazenen.« Er versuchte, die Hand seiner Frau zu ergreifen, aber er hatte nicht mehr die Kraft dazu, und seine Hand fiel auf das blutgetränkte Laken wie ein toter Vogel. »Meine Catherine ist jetzt in Sicherheit. Sie werden dafür sorgen.« Bolitho war zu keiner Antwort fähig, und Pareja stützte sich mühsam auf einen Ellbogen; er sprach auf einmal wieder ganz klar.
»Sie werden dafür sorgen, Captain? Sie geben mir Ihr Wort – ja?« Bolitho neigte langsam den Kopf. »Sie haben mein Wort, Senor.«
Er blickte ihr kurz in das überschattete Gesicht. Catherine hieß sie also; aber sie kam ihm so fern und unwirklich vor wie je. Als Pareja ihren Namen genannt hatte, dachte Bolitho, sie würde sich etwas lockern, würde ihre reservierte, hochmütige Pose aufgeben. Doch sie starrte unbewegt an der Laterne vorbei ins Dunkel, nur ihr Mund glänzte matt im rauchigen Licht.
Ashton stolperte durch das Halbdunkel heran. »Entschuldigung, Sir«, sagte er, »aber wir haben die betrunkenen Matrosen endlich wachgekriegt. Soll ich sie draußen zum Rapport antreten lassen?«
»Nein«, erwiderte Bolitho kurz. »Stellen Sie sie an die Pumpen.« Es klang so rauh und böse, daß der Midshipman zurückwich. »Wenn die Weiber sie sehen«, fuhr Bolitho im gleichen Ton fort, »um so besser.
Zum Kämpfen haben sie nicht getaugt; so können sie wenigstens an den Pumpen arbeiten – von mir aus, bis sie umfallen!«
Hinter seinem Rücken warf Allday dem Midshipman einen raschen warnenden Blick zu, und ohne ein weiteres Wort eilte der Knabe hinweg.
Zu Pareja sagte Bolitho: »Ohne Ihre Hilfe hätte ich nichts ausrichten können.«
Dann blickte er auf, denn seine Frau sagte tonlos: »Sparen Sie sich Ihre Worte, Captain. Er hat uns verlassen.« Sie streckte die Hand aus und drückte ihrem Gatten die Augen zu.
Die Kerzenflamme in Alldays Laterne flackerte und stand schief gegen das Glas; Bolitho spürte unter seinen Knien, daß das Schiff plötzlich krängte, und dann hörte er an Deck das Klappern der Blöcke und des losen Geschirrs, als erwache die
Navarr
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aus dem Schlaf.
»Wind, Captain«, flüsterte Allday, »endlich Wind!«
Aber Bolitho blieb neben dem Toten. Er versuchte, die rechten Worte zu finden, und wußte doch, daß es sie nicht gab. Niemals.
Schließlich sagte er halblaut: »Senora Pareja, wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, dann sagen Sie es mir bitte. Ihr Gatte war ein tapferer Mann. Sehr tapfer sogar.« Er
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