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Der Stolz der Flotte

Der Stolz der Flotte

Titel: Der Stolz der Flotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Schußweite gelangte. Die Schebecke, die so tollkühn die
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geentert hatte, lag fast drei Kabellängen achteraus, ehe Meheux schußfertig war. Die Kugel schmetterte ins Heck des Bootes, kappte den kleinen Lateinerbesan, pflügte durch den geschnitzten Heckaufbau und fuhr dann mit einer Schaumfontäne ins Meer.
    Das Führerboot war gesunken; nur Treibgut und ein paar Leichen kennzeichneten die Stelle. Der Rest der Flottille machte sich nach Süden davon, so schnell die Ruder sie nur vorwärtstreiben konnten, während die blutenden, noch halb betäubten Verteidiger ihnen nachstarren und kaum fassen konnten, daß sie noch am Leben waren.
    Mit schweren Schritten ging Bolitho wieder auf die Kampanje. In seinem rechten Arm pulsierte das Blut, als hätte er eine Wunde davongetragen.
    Die spanischen Matrosen warfen bereits die toten Piraten über Bord, die längsseit noch eine kurze Zeit wie in einem makabren Totentanz auf- und abdümpelten und dann wie weggeworfene Stoffpuppen abtrieben. Gefangene gab es nicht, denn die wutentbrannten Spanier waren nicht in der Stimmung gewesen, Pardon zu geben.
    »Heute werden sie nicht mehr angreifen«, sagte Bolitho zu Meheux.
    »Wir wollen daher lieber die Verwundeten unter Deck schaffen. Dann will ich die Schäden am Schiffsrumpf inspizieren, ehe es dunkel wird.«
    Er sah sich um und versuchte, den Katzenjammer nach der Schlacht zu überwinden. »Wo ist Pareja?«
    »Er hat eine Musketenkugel in die Brust bekommen, Captain«, rief Allday herüber. »Ich habe noch versucht, ihn davon abzuhalten, daß er an Deck blieb und sich unnütz in Gefahr brachte. Aber er sagte, Sie würden von ihm erwarten, daß er mithilft. Und das tat er auch. Komischer kleiner Kerl«, schloß er mit einem Seufzer und einem trüben Lächeln.
    »Ist er tot?« Bolitho dachte an Parejas Eifer, die rührende Nachgiebigkeit seiner Frau gegenüber.
    »Wenn nicht, Captain, wird er’s bald sein.« Allday fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Ich hab ihn mit den anderen Verwundeten nach unten bringen lassen.«
    Über das blutbespritzte Deck kam Witrand und fragte: »Diese Piraten – kommen sie noch mal,
capitain
e
?« Er sah sich unter den Hinkenden, Verwundeten, zu Tode Erschöpften um. »Und was dann?«
    »Dann kämpfen wir eben noch mal,
monsieur

    Witrand blickte ihn nachdenklich an. »Sie haben dieses halbe Wrack gerettet,
capitaine
.

Es freut mich, daß ich das mit angesehen habe.« Er schob skeptisch die Lippen vor. »Und morgen –
e
h

bien
,

wer weiß? Was für ein Schiff mag wohl kommen und uns finden?«
    Bolitho, schwankend vor Erschöpfung, erwiderte gepreßt: »Wenn eine Ihrer Fregatten auf uns stößt,
monsieur
,

werde ich das Schiff übergeben. Es wäre sinnlos, diese Menschen noch mehr leiden zu lassen. Aber bis dahin,
monsieur
,

ist es mein Schiff, unter meiner Flagge!«
    Kopfschüttelnd sah Witrand ihm nach.
»Stup
é
fiant«
,

murmelte er nur.
    Unter den niederen Decksbalken zog Bolitho den Kopf ein und musterte nachdenklich die Reihe der Verwundeten. Die meisten lagen ganz still, doch als das Schiff unbeholfen zu gieren anfing und die Laternen an den Decksbalken kreisten, schien es, als wänden sich die Hingestreckten in Qualen und verfluchten ihn stumm als Urheber ihrer Schmerzen.
    Die Luft stank nach Blut, verschmortem Öl, Bilgewasser und Erbrochenem, und er mußte sich zusammennehmen, um weiter nach vorn zu gehen. Allday schritt mit einer Laterne vor ihm her, deren Schein immer einige Gesichter anleuchtete und sie dann im Weiterschreiten in der Finsternis zurückließ, die ihre Schmerzen, ihre Verzweiflung gnädig verbarg.
    Wie oft schon hatte er dergleichen gesehen. Weinende, um Vergebung ihrer Sünden betende Männer. Männer, die um die Versicherung bettelten, daß sie vielleicht doch noch nicht sterben mußten. Hier waren Sprache und Tonfall anders, aber sonst war es genauso. Er erinnerte sich, wie er als verängstigter Midshipman auf dem AchtzigKanonen-Linienschiff
Manxma
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zum ersten Mal in seinem Leben Männer fallen, sterben und sich nach der Schlacht in Qualen winden gesehen hatte. Er war beschämt gewesen, hatte sich vor sich selbst geekelt, weil er nichts empfinden konnte als überwältigende Freude und Erleichterung, daß er noch lebte und unverwundet war und ihm die Folter unter Messer und Säge des Schiffsarztes erspart blieb.
    Aber nie hatte er seine Gefühle ganz unterdrücken können. Jetzt zum Beispiel empfand er Mitleid und Hilflosigkeit, etwas, das er

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