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Der stolze Orinoco

Der stolze Orinoco

Titel: Der stolze Orinoco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Sein Sohn!« murmelte der Missionär, der sich mit der Hand über die Stirn strich, wie um alte Erinnerungen wach zu rufen. Schließlich wendete er sich wieder an Gomo.
    »Ist er denn allein abgereist… jener junge Mann… hat er das allein unternommen?
    – Nein.
    – Wer begleitet ihn denn?
    – Ein alter Soldat.
    – Ein alter Soldat?
    – Ja, der Sergeant Martial!
    – Der Sergeant Martial!« wiederholte der Pater Esperante.
    Hätte ihn der Bruder Angelos jetzt nicht aufgefangen, er wäre, wie vom Blitz getroffen, auf dem Boden des Zimmers zusammengebrochen.
Zwölftes Capitel.
Auf dem Wege zur Rettung.
    Den Franzosen, den Gefangenen der Quivas, Hilfe zu bringen, das duldete nach den so bestimmten Aussagen des jungen Indianers keinen Aufschub,
    Der Missionär würde noch denselben Abend aufgebrochen und nach der Savanne hinausgezogen sein, wenn er nur gewußt hätte, welche Richtung dabei einzuschlagen gewesen wäre.
    Zunächst drängte sich ja die Frage auf, wo Alfaniz augenblicklich sein möge. In der Nähe der Furt von Frascaes?… Nein; nach Gomos Mittheilungen hatte er diese am Morgen nach dem Ueberfalle verlassen. Sein eigenes Interesse gebot ihm ja, Santa-Juana fern zu bleiben, sich in den Wäldern der benachbarten Sierra zu verlieren, vielleicht auch nach dem Orinoco und der Mündung des Rio Torrida hinunterzuziehen, um sich da noch der Piroguen und der Mannschaft zu bemächtigen.
    Der Pater Esperante sah ein, daß noch eine Auskundschaftung des Feindes nöthig war, ehe er dessen Verfolgung aufnehmen konnte.
    Um sechs Uhr bestiegen zwei Indianer ihre Pferde und ritten nach der Furt von Frascaes hin davon.
    Drei Stunden darauf waren die Reiter zurück, ohne eine Spur von den Quivas entdeckt zu haben.
    Ob Alfaniz und seine Bande den Fluß überschritten hätten, um sich in die Wälder im Westen zu schlagen, oder ob sie nach der Sierra Parima hin gezogen wären, um längs des linken Ufers des Rios nach dem Lager am Pic Maunoir zu gelangen – das wußte vorläufig niemand.
    Es mußte aber ermittelt werden, selbst wenn vor dem Aufbruche noch die ganze Nacht verstrich.
    Zwei andre Indianer verließen die Mission mit dem Auftrage, die Savanne nach der Seite der Orinocoquellen hin abzusuchen, denn es erschien ja möglich, daß Alfaniz nicht geraden Weges nach dem Strome hinabgezogen wäre.
    Mit Tagesanbruch kehrten die beiden Indianer nach Santa-Juana zurück, nachdem sie etwa fünfundzwanzig Kilometer weit vorgedrungen waren. Hatten sie die Quivas auch nicht selbst zu Gesicht bekommen, so hatten sie wenigstens von einigen Bravos-Indianern, die sie in der Savanne trafen, gehört, daß die Räuberbande sich nach der Sierra Parima zu begebe.
    In der Sierra Parima also galt es, sie zu überraschen und die Umgebung mit Gottes Hilfe endlich von diesem Auswurf von Indianern und Bagnosträflingen zu befreien.
    Die Sonne stieg eben empor, als der Pater Esperante von der Mission auszog.
    Seine Begleitmannschaft bestand aus hundert Guaharibos, die für der Gebrauch moderner Feuerwaffen besonders eingeübt waren. Die wackern Leute wußten, daß sie gegen die Quivas, ihre langjährigen Feinde, in den Kampf gingen, doch nicht allein, um diese zu zersprengen, sondern sie bis auf den letzten Mann auszurotten.
    Zwanzig von den Indianern waren beritten und dienten als Deckung für einige Karrenwagen, die Proviant für mehrere Tage enthielten.
    Das Dorf blieb einstweilen unter der Leitung Bruder Angelos’, der durch Läufer mit der Expedition so viel wie möglich in Verbindung bleiben sollte.
    Der Pater Esperante, zu Pferde an der Spitze seiner Truppe, hatte jetzt bequemere Kleidung angelegt, als die gewöhnliche Tracht des Missionärs. Ein Leinwandhelm bedeckte seinen Kopf, mit hohen Stiefeln saß er fest in den Steigbügeln; ein doppelläufiges Gewehr hing am Sattel und ein Revolver stak in seinem Gürtel.
    Schweigend und nachdenkend trabte er dahin, eine Beute unbeschreiblicher geistiger Erschütterung, von der er nichts merken lassen wollte. Die Mittheilungen des ihn begleitenden jungen Indianers wirbelten ihm gleichsam im Kopfe umher. Er glich einem Blinden, dem man das Augenlicht wiedergegeben und der doch das Sehen verlernt hatte.
    Von Santa-Juana aus wendete sich die Truppe in südöstlicher Richtung nach der Savanne – einer Ebene mit baumartiger Vegetation, mit stachligen Mimosen, dürftigen Chapparos und Zwergpalmen, deren Wedel im Winde schwankten. Die an solche Wege gewöhnten Indianer gingen so raschen Schrittes

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