Der stolze Orinoco
Vater schlug sein Verlangen ab, und da schoß er auch ihn mit einem Revolver nieder…
– Er ist getödtet worden! murmelte Bruder Angelos.
– Ja, durch den Mann… Alfaniz…
– Alfaniz!… Und woher kam denn der elende Schurke? fragte der Pater Esperante.
– Von San-Fernando.
– Wie war er aber den Orinoco herausgekommen?
– Als Bootsmann, als Ruderknecht, unter dem Namen Jorres, an Bord einer der beiden Piroguen, die die Reisenden brachten.
– Und Du sagst, das wären Franzosen?
– Ja, gewiß, Franzosen, die nicht weiter als bis zum Rio Torrida hinausfahren konnten. Sie haben ihre Piroguen an der Flußmündung zurückgelassen, und einer von ihnen, ihr Führer, der von dem Schiffer einer der Falcas begleitet war, hat mich im Walde neben der Leiche meines Vaters aufgefunden. Sie fühlten Mitleid mit mir… begruben meinen Vater und nahmen mich dann mit sich. Darauf ersuchten sie mich, sie nach Santa-Juana zu führen. Wir sind also aufgebrochen… und waren vorgestern an der Furt von Frascaes angelangt, als die Quivas uns überfielen und Alle gefangen nahmen…
– Und dann? forschte der Pater Esperante weiter.
– Dann?… Dann zogen die Quivas nach der Sierra zu, und erst heute Morgen habe ich ihnen entfliehen können.«
Der Missionär hatte dem jungen Indianer mit gespannter Aufmerksamkeit zugehört. Das Blitzen seiner Augen bewies, wie der Zorn gegen die Verbrecherrotte in ihm aufloderte.
»Du sagst also, mein Kind, fragte er noch ein drittes Mal, daß jene Reisenden Franzosen waren?
– Ja, ehrwürdiger Vater.
– Und wie viele?
– Vier.
– Wer war sonst noch mit ihnen?
– Der Schiffer von einer der Piroguen, ein Baniva, namens Valdez, und zwei Bootsleute, die das Gepäck trugen.
– Woher kamen sie denn?
– Von Bolivar, von wo sie vor zwei Monaten abgereist waren, um sich nach San-Fernando zu begeben und dann den Strom bis zur Sierra Parima hinauszufahren.«
In tiefes Sinnen verloren, schwieg der Pater Esperante einige Augenblicke still.
»Du hast von einem Führer gesprochen, Gomo? fragte er. Die kleine Truppe hat also einen Führer?
– Ja, einen der Reisenden.
– Und der heißt?
– Jacques Helloch.
– Er hat noch einen Genossen?
Begünstigt durch die die ganze Nacht andauernde Helligkeit… (S. 382.)
– Der Germain Paterne heißt und in der Savanne überall Pflanzen sammelt.
– Wer sind denn die beiden andern Reisenden?
– Erstens ein junger Mann, der sehr freundlich gegen mich gewesen ist, und den ich aufrichtig liebe.«
In Gomos Zügen verrieth sich die lebhafteste Dankbarkeit.
»Der junge Mann, fuhr er fort, nennt sich Jean von Kermor.«
Bei diesem Namen schnellte der Missionär empor, und aus seiner ganzen Erscheinung sprach die allergrößte Ueberraschung.
»Er ist es… er! rief der Knabe schluchzend. (S. 384.)
»Jean von Kermor? wiederholte er. War das wirklich sein Name?
– Ja, Jean von Kermor.
– Der junge Mann, sagst Du, ist mit den Herren Helloch und Paterne aus Frankreich gekommen?
– Nein, ehrwürdiger Vater; nach dem, was mir mein Freund Jean erzählt hat, haben sie sich unterwegs… auf dem Orinoco… beim Dorfe la Urbana erst zufällig getroffen.
– Dann sind sie in San-Fernando gewesen?
– Ja, und von da aus zusammen nach der Mission weiter gereist.
– Und was bezweckt jener junge Mann?
– Er ist im Begriff, seinen Vater zu suchen.
– Seinen Vater?… Du sagst, seinen Vater?
– Jawohl, den Oberst von Kermor.
– Den Oberst von Kermor!« rief der Missionär in unbeschreiblicher Erregung.
Wer ihn in diesem Augenblick beobachtet hätte, würde auch gesehen haben, daß die Ueberraschung, die er vorher verrieth, sich jetzt zu einer ganz ungewöhnlichen Aufregung entwickelte. So energisch der Pater Esperante auch war, so sehr er sich sonst zu beherrschhen wußte, jetzt ließ er die Hand des jungen Indianers los und schritt, eine Beute ihn überwältigender Empfindungen, im Zimmer auf und ab. Nur mit äußerster Willensanstrengung wurde er wieder einigermaßen ruhig und setzte seine Fragen fort.
»Warum, sagte er, warum will sich Jean von Kermor gerade nach Santa-Juana begeben?
– Er hofft hier weitere Auskunft zu erhalten, die es ihm vielleicht ermöglicht, seinen Vater aufzufinden.
– Er weiß also nicht, wo dieser ist?
– Nein, seit vierzehn Jahren hat der Oberst von Kermor Frankreich verlassen und sich nach Venezuela begeben; sein Sohn weiß aber nicht, wo er sich jetzt befindet.
– Sein Sohn!
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