Der stolze Orinoco
ohne Unterbrechung und ihr Wohlbefinden nahm sichtlich weiter zu. Da strömten auch noch andre Ilaneros nach der Mission herbei, um sich hier niederzulassen. So vergrößerte sich der Ort bis in den Wald hinein, der ihn mit ewigem Grün umrahmte. Auch die bebauten Felder dehnten sich immer mehr aus, und das konnte leicht geschehen, da die Savannen des Orinoco sozusagen ohne Grenzen sind.
Es wäre irrig, zu glauben, daß die Mission Santa-Juana nicht auch widerwärtigere Perioden zu überwinden gehabt hätte. Um den Preis einer bewundernswerthen Hingebung für die Sache und dauernder Anstrengung hatte sie sich wohl recht schön entwickelt; zu Anfang war sie aber doch zuweilen von recht ernsten Gefahren bedroht gewesen. Vor Allem mußte das Dorf gegen neidische, wilde Horden vertheidigt werden, die einmal überall zu morden und zu plündern gewöhnt waren. Die Einwohner desselben hatten da manchen Angriff zurückzuschlagen, der das schöne Werk im Entstehen zu vernichten drohte.
Der Missionär hatte dem jungen Indianer… (S. 375.)
Zur Abwehr der Banden, die vom Orinoco oder von den Cordilleren der Küste her ihre Raubzüge ausführten, wurden deshalb die nöthigsten und geeignetsten Sicherheitsmaßregeln getroffen. Der Missionär erwies sich dabei als ein Mann der That und sein persönlicher Muth als ebenso groß wie sein Talent als Organisator.
Alle Guaharibos im kräftigen Alter wurden aufgeboten, discipliniert und im Gebrauch der Waffen unterrichtet. Jetzt stand eine Compagnie von etwa hundert Mann mit modernen Gewehren und reichlichem Schießbedarf, die alle gewandte Schützen waren – denn dazu brachten sie das scharfe Auge des Indianers mit – für die Sicherheit der Mission ein und vereitelte damit jede Aussicht auf Erfolg, wenn doch ein Angriff auf diese gewagt werden sollte.
Dafür hatte man auch schon den Beweis, als Alfaniz mit seinen Spießgesellen aus dem Bagno und der ihm folgenden Bande von Quivas die Ortschaft überfallen hatten. Obwohl sie an Zahl der der »Soldaten« des Pater Esperante mindestens gleich waren, erlitten sie doch die empfindlichsten Verluste, während auf der Seite der Guaharibos nur wenig Blut floß.
Vorzüglich in Folge dieser Niederlage hatten die Quivas auch geplant, das Land zu verlassen und die im Westen des Orinoco gelegenen Gebiete wieder aufzusuchen.
Obendrein war die Mission von Santa-Juana zum Angriff ebenso gut eingerichtet, wie zur Vertheidigung. Es lag zwar gewiß nicht in der Absicht des Pater Esperante, auf Eroberung auszuziehen, denn das Land, worüber er verfügte, reichte für alle seine Bedürfnisse aus. Er wollte sich aber auch keine Belästigungen von andrer Seite gefallen lassen, noch der Möglichkeit ausgesetzt sein, daß Banden von Verbrechern der schlimmsten Art sein Dorf überfielen. Um jeder Gefahr vorzubeugen, mußte er als Soldat auftreten. Was ist ein Missionär im Grunde auch anders als ein Soldat, und wenn er die Pflicht auf sich nimmt, nöthigenfalls sein Leben zu opfern, so hat er andrerseits doch auch die Pflicht, die um ihn und um die Fahne des Christenthums geschaarten Gläubigen zu vertheidigen.
Im Vorhergehenden war von den Culturen die Rede, die in so hohem Maße zum Gedeihen der Mission von Santa-Juana beitrugen. Hierin lag aber nicht die einzige Quelle ihres Reichthums. An die bebauten Felder stießen weite Ebenen, wo große Rinderherden weideten, deren Ernährung durch den Graswuchs der Savannen ebenso wie durch die Ilanerapalme der Wälder gesichert war. Diese Viehzucht bildete einen wichtigen Handelszweig, wie das übrigens in allen andern Provinzen Venezuelas der Fall ist. Die Guaharibos besaßen auch eine Anzahl jener Pferde, die sich früher zu Tausenden in der Umgebung der Ranchos umhertummelten, und von diesen dienten die einen als Zugthiere und die andern zu den Ausflügen der Guaharibos, die in kurzer Zeit vortreffliche Reiter wurden und dann auch die weitern Umgebungen der Ortschaft nicht selten durchstreiften.
Der Pater Esperante entsprach ganz dem Bilde, das Herr Mirabal der junge Gomo und auch der falsche Jorres von ihm entworfen hatten. Seine Züge, seine Haltung und seine Bewegungen verriethen den thatkräftigen Mann, der seinem Willen bei jeder Gelegenheit Ausdruck zu geben wußte – kurz, den Führer, der das Befehlen gewöhnt war. Er besaß eine von hoher Einsicht unterstützte Energie. Sein festes und ruhiges Auge verrieth schon die Güte seines Gemüthes, die sich auch durch das häufige Lächeln der
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