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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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schnell es geht?“ Er hatte nicht geantwortet. „Wenn wir bereits jetzt alles aus jeder unserer maroden Dieselloks herausholen müssen, wenn es trotzdem nicht genug ist, um Colorado die Zugverbindungen zu bieten, die gebraucht werden – was wird erst passieren, wenn wir die Geschwindigkeit drosseln und die Züge verkürzen?“
    „Aber es spricht auch einiges für den Standpunkt der Gewerkschaften. Heute, wo so viele Eisenbahngesellschaften den Betrieb einstellen und so viele Eisenbahner ohne Arbeit sind, haben sie das Gefühl, dass die hohen Geschwindigkeiten, die du auf der Rio-Norte-Linie eingeführt hast, nicht fair sind; sie haben das Gefühl, dass es stattdessen mehr Züge geben sollte, damit die Arbeit unter ihnen verteilt werden kann; sie haben das Gefühl, dass es nicht fair ist, dass wir alleine von den neuen Schienen profitieren, sie wollen auch einen Anteil daran.“
    „Wer will einen Anteil daran? Als Gegenleistung wofür?“ Er hatte nicht geantwortet. „Wer wird dafür aufkommen, wenn zwei Züge die Arbeit von einem erledigen?“ Er hatte nicht geantwortet. „Woher bekommen wir die Waggons und die Lokomotiven?“ Er hatte nicht geantwortet. „Was werden diese Männer anstellen, wenn sie Taggart Transcontinental erst ausgelöscht haben?“
    „Ich habe die volle Absicht, die Interessen von Taggart Transcontinental zu schützen.“
    „Wie?“ Er hatte nicht geantwortet. „Wie – wenn du Colorado vernichtest?“
    „Mir scheint, bevor wir uns darum kümmern, einigen Leuten die Chance zur Expansion zu geben, sollten wir uns um die Leute kümmern, die eine Chance auf nacktes Überleben brauchen.“
    „Wenn du Colorado vernichtest, was bleibt den verdammten Plünderern dann noch zum Überleben?“
    „Du hast dich schon immer gegen jede fortschrittliche Sozialmaßnahme gestellt. Ich glaube mich daran zu erinnern, dass du eine Katastrophe vorausgesagt hast, als das Anti-Wettbewerb-Abkommen verabschiedet wurde – aber sie ist nicht eingetreten.“
    „Weil ich euch gerettet habe, ihr verdammten Narren! Diesmal werde ich euch nicht retten können!“ Er hatte mit den Schultern gezuckt, ohne sie anzusehen. „Und wenn ich es nicht kann, wer dann?“ Er hatte nicht geantwortet.
    Hier unter der Erde schien ihr das alles unwirklich. Wenn sie hier darüber nachdachte, wusste sie, dass sie in Jims Schlacht keine Rolle spielen konnte. Es gab nichts, was sie gegen diese Männer der unscharfen Gedanken, der ungenannten Gründe, der unausgesprochenen Ziele und der unbestimmten Moral unternehmen konnte. Es gab nichts, was sie ihnen sagen konnte – sie würden es nicht hören und keine Antwort geben. Welche Waffen, dachte sie, gab es noch in einem Reich, wo die Vernunft keine Waffe mehr war? Es war ein Reich, das sie nicht betreten konnte. Sie musste es Jim überlassen und auf sein Eigeninteresse zählen. Vage fühlte sie den kühlen Schauer eines Gedankens, der ihr sagte, dass Eigeninteresse nicht Jims Beweggrund war.
    Sie blickte auf den Gegenstand, der vor ihr stand: ein Glaskasten, der die Reste des Motors enthielt. Der Mann, der den Motor gebaut hatte … dachte sie plötzlich, und der Gedanke stieg in ihr auf wie ein Verzweiflungsschrei. Einen Augenblick lang spürte sie den hilflosen, sehnsüchtigen Wunsch, ihn zu finden, sich an ihn zu lehnen und sich von ihm sagen zu lassen, was zu tun sei. Ein Verstand wie der seine würde wissen, wie man diesen Kampf gewinnen konnte.
    Sie sah sich um. In der sauberen, rationalen Welt der unterirdischen Tunnel gab es nichts Dringlicheres und Wichtigeres, als den Erfinder des Motors zu finden. Durfte sie das aufschieben, um mit Orren Boyle zu streiten? Um mit Mr. Mowen zu diskutieren? Um auf Bertram Scudder einzureden? Sie sah den vollständigen Motor vor sich, eingebaut in eine Lokomotive, die einen Zug mit zweihundert Waggons mit zweihundert Meilen pro Stunde eine Strecke aus Rearden-Metall entlangzog. Jetzt wo diese Vision in greifbare Nähe gerückt war, möglich erschien, sollte sie da ihre Zeit damit verbringen, über sechzig Meilen und sechzig Waggons zu verhandeln? Sie konnte sich nicht zu einem Leben herablassen, in dem ihr Gehirn unter dem Druck des Zwangs, hinter Unfähigkeit zurückzustecken, explodieren würde. Sie konnte nicht nach dem Motto handeln: Halt den Mund, zieh den Kopf ein, drossel dein Tempo, gib nicht dein Bestes, es ist nicht erwünscht!
    Energisch drehte sie sich um und verließ den Kellerraum, um in den Zug nach Washington zu steigen.
    Als

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