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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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Frühlingsblätter.
    Der rechteckige Lichtschein auf einer Bergflanke war das Fenster des Arbeitszimmers von Midas Mulligan. Mulligan saß an seinem Schreibtisch und hatte eine Landkarte sowie Blätter mit Zahlenkolonnen vor sich. Er listete das Guthaben seiner Bank auf und plante künftige Investitionen. Er schrieb die Namen der Städte auf, die er dabei im Sinn hatte: „New York–Cleveland–Chicago … New York–Philadelphia … New York … New York … New York …“
    Das rechteckige Licht in der Talsenke war ein Fenster des Hauses von Danneskjöld. Kay Ludlow saß vor einem Spiegel und musterte prüfend die Farbschattierungen der Filmschminke, die in einem abgewetzten Köfferchen ausgebreitet war. Ragnar Danneskjöld lag ausgestreckt auf einer Couch und las in einem Band der Werke von Aristoteles: „Denn diese Axiome gelten gemeinsam für alles Seiende und nicht bloß für eine besondere Gattung des Seienden ausschließlich im Gegensatze zu den anderen. Alle wenden sie an, weil sie für das Seiende gelten, sofern es ist. … Denn ein Prinzip, das jedermann, der irgendein Seiendes verstehen will, notwendig muss gelten lassen, das ist kein Bedingtes. … Dass ein Prinzip von dieser Art unter allen das grundlegendste ist, ist augenscheinlich. Welches aber dieses Prinzip ist, wollen wir nunmehr aussprechen: Es ist ausgeschlossen, dass ein und dasselbe Prädikat einem und demselben Subjekte zugleich und in derselben Beziehung zukomme und auch nicht zukomme.“
    Das rechteckige Licht auf einem Acker war das Fenster der Bibliothek von Richter Narragansett. Er saß an einem Tisch, und der Schein seiner Lampe fiel auf ein historisches Dokument. Er hatte die Widersprüche, aufgrund derer es einst zerstört worden war, markiert und durchgestrichen. Er fügte jetzt eine neue Klausel hinzu: „Der Kongress darf kein Gesetz erlassen, welches die Produktions- und Handelsfreiheit beschränkt …“
    Das rechteckige Licht inmitten eines Waldes war ein Fenster der Blockhütte von Francisco d’Anconia. Francisco lag ausgestreckt auf dem Boden neben dem züngelnden Feuer, beugte sich über einige Blätter und vervollständigte die Zeichnung seines Schmelzofens. Hank Rearden und Ellis Wyatt saßen am offenen Kamin. „John wird die neuen Lokomotiven konstruieren“, sagte Rearden, „und Dagny wird die erste Eisenbahnlinie zwischen New York und Philadelphia betreiben. Sie …“ Und als er den nächsten Satz vernahm, warf Francisco mit einem Mal den Kopf hoch und lachte auf. Sein Lachen war ein Gruß, ein Triumph und eine Erlösung. Sie konnten das fünfte Konzert von Halley zwar nicht hören, das nun irgendwo hoch über den Dächern schwebte, aber Franciscos Lachen war ihm ebenbürtig. Der Satz, den er gehört hatte, weckte in Francisco die Vorstellung von der Frühjahrssonne, die auf den Rasen der Häuser im ganzen Land schien, von glänzenden Motoren, vom glitzernden Stahl in den aufragenden Gerüsten neuer Wolkenkratzer, von Kinderaugen, die ohne Unsicherheit oder Furcht in die Zukunft blickten.
    Der Satz, den Rearden geäußert hatte, lautete: „Sie wird wahrscheinlich versuchen mir mit den Frachtpreisen, die sie verlangen wird, das letzte Hemd auszuziehen, aber ich werde sie mir leisten können.“
    Das zarte Leuchten, das auf dem höchsten zugänglichen Bergabsatz langsam den Raum durchwob, war der Widerschein der Sterne auf Galts Haar. Er stand da und blickte in die Ferne – nicht ins Tal hinab, sondern hinaus in die Dunkelheit der Welt jenseits seiner Mauern. Dagnys Hand lag auf seiner Schulter, und der Wind wehte ihr Haar in seines. Sie wusste, weshalb er an diesem Abend in die Berge hatte gehen wollen und worüber er nachdenken wollte, als er stehen blieb. Sie wusste, was er jetzt sagen würde und dass sie seine Worte als Erste hören sollte.
    Sie konnten die Welt jenseits der Berge nicht sehen. Es herrschte nur die Leere von Dunkelheit und Felsen, doch barg diese Dunkelheit die Trümmer eines Kontinents: die ungedeckten Häuser, die verrostenden Traktoren, die unbeleuchteten Straßen, die stillgelegten Gleise. Aber weit draußen, am Rand der Erde, tanzte eine kleine Flamme im Wind, Wyatt’s streitbare und beharrliche Fackel, die sich wand, teilte und wieder sammelte und die sich weder ausmerzen noch auslöschen ließ. Sie schien zu rufen und auf die Worte zu warten, die John Galt jetzt auszusprechen im Begriff war.
    „Die Bahn ist frei“, sagte Galt. „Wir kehren zur Welt zurück.“
    Er hob die Hand und

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