Der Streik
nicht mehr sein Unternehmen.
„Ich glaube, ich komme zurecht, Doktor“, sagte er und hob den Kopf.
„Ja, Mr. Rearden, zum Glück.“ Der Arzt sah ihn an, als könnte er noch nicht glauben, dass dies Hank Rearden in seinem eigenen Stahlwerk widerfahren war; aus seiner angespannten, zornigen Stimme sprachen Loyalität und Empörung. „Nichts Ernstes, nur eine Platzwunde und eine leichte Gehirnerschütterung. Aber lassen Sie es ruhig angehen, und erlauben Sie sich auszuruhen.“
„Das werde ich“, erwiderte Rearden entschieden.
„Es ist vorbei“, sagte der Werkleiter und deutete auf das Stahlwerk vor dem Fenster. „Wir haben die Mistkerle in die Flucht geschlagen. Sie müssen sich keine Sorgen machen, Mr. Rearden. Es ist vorbei.“
„Das ist es“, sagte Rearden. „Bestimmt liegt noch viel Arbeit vor Ihnen, Doktor.“
„Oh ja! Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal erleben würde, wie …“
„Ich weiß. Gehen Sie schon, kümmern Sie sich darum. Ich komme zurecht.“
„Ja, Mr. Rearden.“
„Ich kümmere mich um das Stahlwerk“, sagte der Werkleiter, als der Arzt aus dem Zimmer eilte. „Es ist alles unter Kontrolle, Mr. Rearden. Aber das war der schmutzigste …“
„Ich weiß“, unterbrach ihn Rearden. „Wer war der Mann, der mir das Leben gerettet hat? Als ich stürzte, hat mich irgendjemand aufgefangen und auf diese Schläger geschossen.“
„Und wie! Mitten ins Gesicht! Hat ihnen die Köpfe weggepustet. Das war unser neuer Hochofenmeister. Ist erst seit zwei Monaten hier. Der beste Mann, den ich je hatte. Er hat auch herausbekommen, was die Schufte vorhatten, und mich heute Nachmittag gewarnt. Hat mir gesagt, ich soll unsere Männer bewaffnen, so viele wie möglich. Von der örtlichen Polizei oder der Staatspolizei kam keine Hilfe, die haben sich unter den merkwürdigsten Vorwänden gedrückt, die ich je gehört habe, das war alles von vorneherein abgekartet. Mit bewaffnetem Widerstand haben die Kerle nicht gerechnet. Der Hochofenmeister – Frank Adams heißt er übrigens – hat unsere Verteidigung organisiert und den Kampf angeführt, er stand oben auf dem Dach und hat die Mistkerle erledigt, die zu nah ans Tor kamen. Junge, Junge, was für ein Schütze! Ich will gar nicht wissen, wie vielen von uns er heute Abend das Leben gerettet hat. Diese Kerle wollten Blut sehen, Mr. Rearden.“
„Ich würde ihn gerne sprechen.“
„Er wartet irgendwo draußen. Er hat Sie auch hierher gebracht und darum gebeten, mit Ihnen zu sprechen, sobald es möglich ist.“
„Schicken Sie ihn herein, und dann gehen Sie wieder nach draußen, übernehmen die Führung und bringen das zu Ende.“
„Gibt es noch etwas, das ich für Sie tun kann, Mr. Rearden?“
„Nein, nichts.“
Er lag still, alleine in der Stille seines Büros. Er wusste, dass die Bedeutung, die sein Stahlwerk einst für ihn gehabt hatte, nicht mehr existierte, und das Wissen darum ließ keinen Raum, um einer Illusion nachzutrauern. Er hatte in einem letzten Bild Seele und Wesen seiner Feinde gesehen: im geistlosen Gesicht des Schlägers mit der Keule. Es war nicht das Gesicht an sich, was ihn veranlasste, sich entsetzt abzuwenden, es waren die Lehrer, die Philosophen, die Moralisten, die Mystiker, die dieses Gesicht auf die Welt losgelassen hatten.
Er empfand eine eigentümliche Reinheit. Sie entsprang seinem Stolz und seiner Liebe zu dieser Erde, welche die seine war, nicht ihre. Es war das Gefühl, das ihn sein ganzes Leben lang angetrieben hatte, das Gefühl, das manche Menschen in ihrer Jugend noch kennen und später verraten, das er jedoch niemals verraten, sondern sich stets bewahrt hatte als einen zwar lädierten, angegriffenen, nicht bewussten, aber lebendigen Motor – das Gefühl, das er nun in seiner ganzen ungetrübten Reinheit genießen konnte: das Bewusstsein des überragenden Wertes, den er selbst und das Leben für ihn besaßen. Es war die endgültige Gewissheit, dass sein Leben ihm gehörte, damit er es lebte, ohne sich vom Bösen versklaven zu lassen, und dass diese Versklavung niemals nötig gewesen wäre. Es war die herrliche Gelassenheit des Wissens, dass er frei war von Angst, Schmerz und Schuld.
Wenn es stimmt, dass es Rächer gibt, die an der Erlösung von Menschen wie mir arbeiten, dachte er, dann lass sie mich jetzt sehen, lass sie mir ihr Geheimnis anvertrauen, lass sie mich holen, lass sie … „Herein!“, sagte er laut, als es an der Tür klopfte.
Die Tür öffnete sich, und er lag still. Der
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