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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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wandte sich Rearden zu; er blickte nicht nach unten, sondern geradeaus, wie sie ihn einst eine unberührte Landschaft hatte betrachten sehen: mit einem Blick, der die künftigen Möglichkeiten ins Auge fasste.
    Als sie die Dunkelheit vor sich sah, tauchte eine weitere Erinnerung in ihr auf – an den Augenblick, in dem sie selbst über dem Flugplatz von Afton gekreist war und den silbernen Rumpf eines Flugzeugs wie einen Phoenix aus der Dunkelheit der Erde hatte aufsteigen sehen. Sie wusste, dass ihr Flugzeug jetzt, in dieser Stunde, alles an Bord hatte, was von der Stadt New York übrig geblieben war.
    Sie blickte nach vorn. Die Erde würde ebenso leer sein wie der Raum, durch den ihr Propeller ungehindert eine Bahn schnitt – genauso leer und frei. Sie wusste, wie Nat Taggart sich in seiner Anfangszeit gefühlt hatte und weshalb sie ihm jetzt zum ersten Mal wahrhaft folgte: mit dem zuversichtlichen Bewusstsein, vor dem Nichts zu stehen und zu wissen, dass es einen Kontinent aufzubauen galt.
    Sie fühlte, wie der ganze Kampf, den sie in der Vergangenheit ausgefochten hatte, vor ihr aufstieg, dann von ihr abfiel und sie hier zurückließ, auf der Höhe dieses Augenblicks. Sie lächelte, und die Worte, mit denen sie gedanklich die Vergangenheit bewertete und besiegelte, waren mutige, stolze und hingebungsvolle Worte, die die meisten Menschen nie verstanden hatten, Worte aus der Sprache von Geschäftsleuten: „Der Preis spielt keine Rolle.“
    Ihr stockte weder der Atem, noch lief ihr ein Schauer über den Rücken, als sie in der Dunkelheit auf der Erde eine kurze Kette von Lichtpunkten erkannte, die sich langsam in Richtung Westen durch das Nichts vorwärtskämpfte, mit dem langen, hellen Lichtstrahl eines Scheinwerfers, der seine Bahn nach Gefahren abtastete. Sie fühlte nichts, obwohl es ein Zug war und sie wusste, dass er nirgendwo ankommen, sondern im Nichts enden würde.
    Sie wandte sich Galt zu. Er beobachtete ihr Gesicht, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Sie sah, wie er ihr Lächeln erwiderte. „Das ist das Ende“, sagte sie. „Das ist der Anfang“, antwortete er.
    Sie lehnten sich ruhig in ihren Sitzen zurück und blickten einander schweigend an. Dann vergaßen sie alles ringsumher und nahmen nur noch sich gegenseitig wahr, als die Summe und Bedeutung der Zukunft – doch diese Summe schloss das Wissen um all das ein, was hatte verdient werden müssen, ehe eine andere Person den Wert der eigenen Existenz verkörpern konnte.
    Sie hatten New York schon weit hinter sich gelassen, als sie hörten, wie Danneskjöld jemandem über Funk entgegnete: „Ja, er ist wach. Ich glaube nicht, dass er heute Nacht überhaupt schlafen wird. … Ja, ich glaube schon.“ Er warf einen Blick über die Schulter. „John, Dr. Akston möchte dich sprechen.“
    „Wie bitte? Ist er etwa in einem der Flugzeuge hinter uns?“
    „Natürlich.“
    Galt machte einen Satz nach vorn ans Mikrofon. „Hallo, Dr. Akston“, sagte er mit einer so ruhigen und tiefen Stimme, als lächelte er ihm über Funk zu.
    „Hallo, John.“ Die Erwiderung klang so gefasst, dass darin offenbar wurde, wie quälend es für Hugh Akston gewesen war, nicht zu wissen, ob er diese beiden Worte je wieder aussprechen würde. „Ich wollte nur deine Stimme hören … nur um zu wissen, dass es dir gut geht.“
    Galt lachte leise, und im Ton eines Schülers, der als Beleg für seine aufmerksame Teilnahme am Unterricht stolz eine gelöste Hausaufgabe vorlegt, antwortete er: „Natürlich geht es mir gut, Professor. Wie könnte es anders sein? A ist gleich A.“
    *
    Die Lokomotive des gen Osten fahrenden Comet fiel mitten in einer Wüste in Arizona aus. Ohne ersichtlichen Grund stand sie plötzlich still, wie ein Arbeiter, der sich nicht hatte eingestehen wollen, dass er sich zu viel aufgehalst hatte: Irgendeine überlastete Schaltverbindung war ein für alle Mal gerissen.
    Eddie Willers rief den Zugführer herbei, doch der ließ lange auf sich warten, und als er endlich kam, konnte Eddie Willers die Antwort auf seine Frage an dem resignierten Gesichtsausdruck des Mannes ablesen.
    „Der Lokomotivführer versucht herauszufinden, was passiert ist, Mr. Willers“, antwortete er leise, und der Klang seiner Stimme gab zu verstehen, dass es zwar seine Pflicht war, die Hoffnung nicht aufzugeben, dass er aber schon seit Jahren jede Hoffnung hatte fahren lassen.
    „Er kennt die Ursache also nicht?“
    „Er arbeitet daran.“ Der Höflichkeit halber wartete der

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