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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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eingehen wollte, nach einem Zug durch die Gemeinde irgendwo abzustürzen.
    Während er mit dem Hund die Grünanlagen nordwärts spazierte, drängten sich nach und nach mehr Erinnerungen an die Oberfläche. Sie hatten mit Bier angefangen, wie immer. Paul trank keinen Wein, wenn er sich betrinken wollte. Das hätte Rath eigentlich zeigen sollen, wohin die Reise ging. Hatte es wahrscheinlich auch, aber er hatte alle Zeichen geflissentlich ignoriert. Weil er selber in der Stimmung war, sich zu betrinken, während sie den Klängen der Manhattan-Band lauschten, die ganz passablen amerikanischen Jazz spielte. Paul war ganz angetan von der Musik und hatte irgendwann den ersten Cognac bestellt.
    Über ein Jahr hatten sie sich nicht gesehen und sich eigentlich eine ganze Menge zu erzählen gehabt. Aber das hatten sie nicht getan. Natürlich hatten sie sich unterhalten, aber eigentlich nur über belangloses Zeug geredet, über die Band auf dem Podium, über die neuen Platten, die Rath aus New York bekommen hatte, die neuen Tonfilme, von denen Rath noch keinen einzigen gesehen hatte. Allerdings kannte er jetzt ein paar Schauspielerinnen, die keine Autogramme mehr geben konnten. Auch Paul hatte irgendwann von seiner Arbeit erzählt, von seinem Weinhandel, den er in die Reichshauptstadt auszuweiten gedachte. Deswegen war er in der Stadt; am Montag hatte er einen Termin mit den Einkäufern von Kempinski.
    »Du solltest auch im Kaiserhof vorbeischauen, die könnten ein paar gute Weine vertragen.«
    »Zwei Tage habe ich noch zum Klinkenputzen reserviert«, hatte Paul gesagt. »Wer weiß, vielleicht eröffnet die Firma Wittkamp irgendwann mal eine Filiale in Berlin.«
    Obwohl sie also außer dem Geplänkel über die Arbeit eigentlich kein bisschen über sich selbst gesprochen hatten, obwohl also alles so gewesen war wie immer, wenn er Paul sah, oder vielleicht sogar genau deswegen, hatte Rath sich diesem blonden, uneitlen und unernsten Mann so verbunden gefühlt wie sonst keinem Menschen auf der Welt. Außer vielleicht Charly, aber das war etwas anderes. Vielleicht waren die beiden die Einzigen, die ihn seine Einsamkeit für eine Weile vergessen ließen. Oder es vielleicht sogar schafften, diese Erkenntnis, letzten Endes allein und verlassen durchs Leben gehen zu müssen, wenigstens für eine Weile wie eine Lüge aussehen zu lassen.
    Schließlich war Rath nicht mehr in der Lage gewesen, sich halbwegs elegant auf zwei Beinen zu halten. Paul hatte ihm - vielleicht nicht ganz ernst gemeint, aber ein bisschen sicherlich doch - angeboten, das Doppelzimmer im nah gelegenen Hotel mit ihm zu teilen, aber Rath hatte den Barmann ein Taxi rufen lassen. Er wusste noch, dass er Kirie beinahe vergessen hatte, doch der Hund war ihm bellend nachgelaufen und mit ins Taxi gehüpft. Wie er zu Hause die Treppe hochgekommen war, daran konnte er sich beim besten Willen nicht mehr erinnern, wahrscheinlich hatte der Hund ihn geführt.
    Mist! Sein Auto stand noch am Anhalter Bahnhof!
    Rath war stehen geblieben, und Kirie nahm das als Signal, endlich einen der überall gepflanzten Sträucher zu nutzen, um dort ihr Geschäft zu verrichten. Langsam wurde es auch Zeit, wenn er das Auto noch abholen musste, sollte er sich schleunigst nach Hause begeben, den Hund füttern und sich selbst gesellschaftsfähig machen.
     
    Als er eine knappe Stunde später an der Möckernbrücke aus der Hochbahn stieg und sich auf den Weg zum Anhalter Bahnhof machte, fühlte er sich schon viel besser. Die Kopfschmerzen waren verschwunden, ebenso die Müdigkeit; dazu schien die Sonne, und es versprach, ein herrlicher Tag zu werden. Kirie schien den zweiten Spaziergang an diesem Morgen ebenso zu genießen. Irgendwie ein schönes Gefühl, mit einem lächelnden Hund an der Leine durch den Morgen zu spazieren.

Kapitel 41
    Charly war erwartungsgemäß begeistert. »Ist der süß«, sagte sie.
    Kirie hockte auf der Ablage hinter den Sitzen, wo Rath sie angebunden hatte, und hechelte den neuen Passagier neugierig an.
    »Der Hund ist eine Sie«, sagte Rath.
    Charly stieg ein, allerdings falsch herum, mit dem Gesicht nach hinten. Statt sich zu setzen, kniete sie sich auf den Beifahrersitz und streichelte den Hund.
    »Wie heißt du denn, mein Kleiner?«
    »Kirie«, antwortete Rath anstelle des Hundes. »Sie heißt Kirie.
    Eine Hundedame. Hab sie nur vorübergehend in Pflege«, ergänzte er. »Bis ihr Frauchen zurück ist.«
    »Ihr Frauchen?«
    »Eine vermisste Schauspielerin. Aber lass uns

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