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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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wieder. Die übrigen Fahrstuhlinsassen schauten irritiert.
    »Erdgeschoss«, sagte der Fahrstuhlführer ungerührt und öffnete die Tür. Draußen warteten inzwischen noch mehr Leute auf eine Fahrt nach oben.
    »Hätte nie gedacht, dass sich ein Besuch des Funkturms derart lohnt«, sagte Rath laut und wog das blaue Geschenkpaket in der Hand. Die Leute schauten interessiert, Charly hatte immer noch Lachtränen in den Augen. Sie hakte sich bei ihm ein, und sie strebten dem Ausgang zu.
    »Gereon?«
    Eine leicht verkaterte Stimme aus der Warteschlange vor der Kasse.
    Rath drehte sich um. »Paul? Was machst denn du hier?«
    »Die Welt ist eben ein Dorf. Und Berlin sowieso. Wollte mich ein wenig umtun in der Reichshauptstadt. Wenn du schon keine Zeit für einen hast. Ist das hier das Grüne, in das du unbedingt wolltest?« »Kleiner Abstecher. Dir kann man aber auch nirgends entkommen, was?«
    »Ich hätte alles irgendwie grün Aussehende heute gemieden, nur um dir nicht zu begegnen, aber dass du ausgerechnet den Funkturm damit gemeint hast ... Konnte ja nicht ahnen, wie farbenblind du bist.«
    »Und wie bist du auf diese Idee gekommen?«
    »Tipp der Rezeption. Erst das Brandenburger Tor und die Linden, dann auf den Funkturm und einen Ku'damm-Bummel. Das empfehlen die arglosen Fremden hier so.« Neugierig schielte Paul zu Charly. »Willst du mir deine nette Begleitung nicht vorstellen?«
    Rath räusperte sich. »Natürlich. Charlotte Ritter, Paul Wittkamp, ein alter Freund aus Köln.«
    Paul reichte Charly die Hand.
    »So alt nun auch wieder nicht«, sagte er. »Sie zeigen dem alten Rheinpreußen hier also Berlin?«
    »Einer muss es ja tun.«
    »Mir hat man leider keine so charmante Begleitung an die Hand gegeben, ich muss mir Berlin allein erschließen.«
    »Du Ärmster!« Raths Mitleid hielt sich in Grenzen. »Mir kommen gleich die Tränen.«
    »Kommen Sie doch mit uns, dann müssen Sie den Sonntag nicht
    allein verbringen.«
    Rath schaute Charly an. Sie schien das ernst zu meinen.
    »Paul will auf den Funkturm, da waren wir doch schon.« »Vielleicht will er umdisponieren und kommt mit uns zum
    Wannsee.«
    »Bevor die Mutmaßungen beginnen, ins Kraut zu schießen, sollte ich mich vielleicht selbst zur Sache äußern«, meinte Paul. »Das ist ein sehr nettes Angebot, das ich aber unmöglich annehmen kann. Gereon habe ich schon den Samstagabend verdorben, da soll er wenigstens heute Ruhe vor mir haben.«
    »Keine vornehme Zurückhaltung! Sie werden uns überhaupt nichts verderben. Wenn Sie Lust auf einen kleinen Ausflug und einen Spaziergang am See haben, dann kommen Sie einfach mit und schauen sich Funkturm und Ku'damm ein andermal an. Außerdem ... Sie glauben gar nicht, wie gern ich einen Menschen kennen lernen möchte, den Gereon Rath als seinen Freund bezeichnet.«
    »Na, wenn das so ist ... « Viel brauchte es offenbar nicht, um Pauls Gegenwehr zu knacken. »Was soll ich da noch sagen? Solchen Argumenten habe ich nichts mehr entgegenzusetzen.« Er grinste sein unverschämtes Grinsen, diesmal ganz besonders unverschämt, wie Rath meinte.
    Er überlegte, ob er noch etwas sagen sollte, aber da war Paul schon aus der Warteschlange herausgetreten, und sie gingen gemeinsam zum Parkplatz.
    Der Hund überschlug sich vor Begeisterung, als sie am Auto ankamen. Rath ließ Kirie aus dem Wagen. Beinahe hätte sie das blaue Geschenkpapier zerfetzt, und er packte das Paket schnell ins Handschuhfach. Dabei fiel ihm die Perücke in die Hände, die er schon fast vergessen hatte. Er stopfte sie mitsamt dem Paket wieder zurück und hoffte, niemand habe es gesehen.
    »Willst du nicht auspacken?«, fragte Charly. »Später«, meinte er.
    Dann ging er um den Wagen herum und klappte den Notsitz auf.
    Sah nicht gerade bequem aus, und Paul, der gestern Abend noch den Beifahrersitz benutzen durfte, wirkte nicht so, als sei er wild darauf, dort Platz zu nehmen. Obwohl er das Gegenteil behauptete. »Kein Problem«, sagte er. »Solange ich den Hund nicht noch auf den Schoß nehmen muss.«
    Aber Charly war anderer Meinung. »So können wir nicht über die Avus, da ist doch viel zu viel Fahrtwind! Wir nehmen die Bahn«, entschied sie, »der Bahnhof Witzleben ist gleich um die Ecke, da sind wir genauso schnell.«
    Eine Dreiviertelstunde später stiegen sie am Bahnhof Wannsee aus dem Zug.
    »Wir können mit dem Bus nach Nikolskoe fahren«, sagte Charly, »oder zu Fuß gehen. Sind aber vier, fünf Kilometer.«
    »Wir wollten doch spazieren«, sagte

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