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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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ungläubig.
    Paul war aufgestanden. »Warum ist dieser Hund in Ihrem Haus?«, fragte er, und klang nun gar nicht mehr wie der freundliche Weinhändler.
    »Soll das etwa heißen, Sie kennen das Tier?«
    Die Stimme klang genauso warm und freundlich wie wenige Minuten zuvor, aber jetzt hielt Wolfgang Marquard eine Pistole in der Hand.

Kapitel 58
    Wo war der verflixte Köter nur lang gelaufen? Das Haus war noch labyrinthischer gebaut, als Rath gedacht hätte. Außerdem musste er jeden Moment damit rechnen, hinter der nächsten Ecke auf Wolfgang Marquard zu treffen oder auf seinen Diener, von dem er nicht wusste, ob er mit seinem Herrn unter einer Decke steckte. Rath war fest entschlossen, auch den Alten sofort niederzuschlagen, sollte er ihm begegnen.
    Immer wieder überkamen ihn kleinere Schwächeanfälle und kalte Schweißausbrüche, und er musste kurz anhalten und sich an der Wand abstützen, um nicht zu kollabieren. Manchmal dachte er daran, einen Schluck Apfelsaft zu trinken, manchmal nicht, manchmal hatte er sogar vergessen, dass er die Flasche bei sich trug und warum. Seine Gedanken kamen immer wieder vom Wege ab, irrten durch ein ähnliches Labyrinth wie er selbst; manchmal musste er sich übermenschlich anstrengen, um überhaupt noch halbwegs klar denken zu können und sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Um nicht zu vergessen, warum er überhaupt hier durch unbekannte Gänge wanderte und in welchem Zustand.
    Er war irgendwann eine Treppe hinaufgegangen, nicht die große Treppe im Vestibül, auch keine Wendeltreppe, und dann hatte er die Möglichkeit, nach rechts oder nach links einen langen Gang hinunterzugehen. Er blieb einen Moment stehen und wandte sich dann nach rechts, weil er meinte, Kirie dort irgendwo bellen zu hören.
    Und dann stand er vor einer verschlossenen großen Doppelflügeltür. Die gehörte mit Sicherheit nicht mehr zum Dienstbotentrakt, das war etwas Offizielles. Er zögerte, bevor er sie öffnete, Kirie konnte nicht durch eine verschlossene Tür, Rath musste vorhin doch falsch abgebogen sein. Also wieder zurück. Doch dann hörte er das Bellen erneut. Er hörte es durch diese Tür.
    Er fasste sich ein Herz und öffnete sie vorsichtig.
    Und dann befand er sich wieder im Vestibül, das er schon kannte.
    Es lag dunkel da, und er wagte nicht, Licht zu machen. Der Lichtschein aus der Tür, durch die er gekommen war, half ihm, den Weg zu finden.
    Und Kiries Bellen, das nun wieder ertönte.
    Wenn er richtig gehört hatte, kam es aus einer Richtung, die er heute Nachmittag schon einmal gegangen war. Als er dem alten Diener zu Marquards Empfangssalon gefolgt war.
    Warum war der Hund ausgerechnet dorthin zurückgelaufen, warum nicht in die Freiheit, durch irgendeine offene Tür, irgendein offenes Fenster in die Freiheit?
    Er seufzte. Rechts von ihm lockte die große Haustür. Ein Schritt und er stünde im Freien, könnte Verstärkung holen und alles.
    Aber er konnte doch nicht ohne den dummen Hund gehen! Wer wusste, was Marquard ihm womöglich antun würde? Wenn er nur aufhören würde zu bellen!
    Wenigstens diesen Wunsch schien Kirie ihm zu erfüllen, seit dem letzten Bellen, als er ins Vestibül gekommen war, hatte er nichts mehr gehört.
    Er öffnete die Tür, die Albert vor einigen Stunden noch für ihn geöffnet hatte, und trat in einen dunklen Raum. Wenn er sich richtig erinnerte, musste er noch zwei Räume durchqueren, um in den Salon zu gelangen. Langsam tastete er sich voran bis zur nächsten Tür.
    Hoffentlich war Marquard schon schlafen gegangen!
    Dieser fromme Wunsch wurde nicht erfüllt. Durch den Ritz der Salontür drang ein flackernder Lichtschein, der Hausherr genehmigte sich offensichtlich noch einen am Kamin. Und Kirie hatte nichts Besseres zu tun, als genau hier hinzulaufen!
    Dann sieh doch zu, wo du bleibst, dachte Rath, undankbarer, dämlicher Köter!
    Er wollte umdrehen und langsam zum Vestibül und zur Haustür zurückschleichen, da hörte er eine Stimme, die er kannte. Eine Stimme, die er hier nicht erwartet hatte.
    Charly!
    Das konnte doch nicht sein, was zum Teufel sollte sie hier suchen?
    Vielleicht täuschte er sich auch, und es war die nächste Schauspielerin, die Marquard unsterblich machen wollte, wie er es nannte.
    Aber dann hörte er noch eine bekannte Stimme. Paul!
    Wie kamen die beiden in den Salon von Wolfgang Marquard? Oder war das gar nicht der Salon von Wolfgang Marquard? War
    er schon längst wieder zu Hause und hatte das gar nicht gemerkt? Er hatte so

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