Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Johansson
Vom Netzwerk:
gingen lange, bis hinunter zum Luftkastell an der Brücke und zurück. Als sie in ihr Hotel zurückkehrten, schauten sie noch gemeinsam die Neun-Uhr-Nachrichten an, schweigend, in Ronnys Zimmer. Die Redaktion war fleißig gewesen und hatte ein ganzes Bündel von kurzen und längeren Beiträgen arrangiert, ein Interview mit einem Psychologen, ein Gespräch mit einem Historiker des schwedischen Adels, und aus Berlin wurde von den Reaktionen der deutschen Medien berichtet. Es schien, als nehme man in Deutschland fast befriedigt zur Kenntnis, dass der Chefredakteur nicht von irgendeinem unbekannten Menschen ermordet worden sei, sondern von einem Prominenten, und auch noch von einem Mann von altem Adel. Beinahe war es nun, als wäre er bei einem offiziellen Einsatz, bei einer geheimen Operation in höherem Auftrag gestorben.
    Der Wetterbericht lief bereits, als Ronny etwas sagte: »Ich weiß es nicht, aber ich habe so ein komisches Gefühl bei der Sache. Ich kann nicht glauben, dass es so war, wie Wille erzählte.«
    »Mir geht es auch so«, sagte Benigna nach einer Weile. »Aber man lügt doch nicht, wenn man weiß, dass man stirbt.«
    »Ich weiß nicht. Einerseits kann ich mir vorstellen, dass Wille einen Menschen tötet. Andererseits, wenn das so geschehen ist, wie er sagt, dann hat er ihn aus Not ermordet, weil er in die Enge getrieben worden war. Und das ist es, was nicht zu ihm passt. Und dann hat Pelle ja recht: Wenn der Deutsche auf Ekeby Gård oder in der Nähe ermordet worden sein soll – was macht in diesem Fall die Leiche in Visseltofta? Und die Schaufel, mit der der Mann erschlagen wurde, sie lag ja noch daneben.«
    Katarina, blass wie immer, oder noch blässer, hatte die ganze Zeit nichts gesagt und nur vor sich hingeschaut. Jetzt schüttelte sie den Kopf, leise. Und schwieg weiter.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Benigna.
    »Ich weiß nicht, hierbleiben ist sinnlos. Außerdem fürchte ich, dass die wissen, wo wir sind. Sie sehen uns.«
    »Wer?«
    »Na, wer immer es ist, der unbedingt Magnus’ Notebook haben will. Der Amerikaner oder so. Aber wir können ihm ja nichts sagen, selbst wenn wir wollten.« Ronny erwähnte nicht, dass er Richard Grenier vor dem Hotel erkannt hatte. Und dieser ihn. Die Lage war kompliziert genug, fand er.
    »Hier im Hotel tut uns, glaube ich, keiner etwas. Aber morgen fahren wir zurück«, sagte er, als Benigna und Katarina aufbrachen, um in ihr Zimmer zu gehen. »Wir reden zuerst mit Lorenz.«
    »Ja«, sagte Benigna, »und dann treffen wir uns mit Pelle. Gleich morgen früh. Es gibt ja keinen Grund mehr, Wille zu schützen. Aber wir brauchen vielleicht Schutz.«
    »Wir bleiben zusammen.«
    »Ja«, sagte Benigna, bevor sie die Tür zu Ronnys Zimmer von außen schloss. Er war überwältigt von den Ereignissen und hatte das unbehagliche Gefühl, irgendwie zu klein zu sein, für diese Welt und für diese Frau. Unten im Hof rauschte der Dunstabzug. Es roch leicht nach Fritteuse.

Sechsundfünfzig
    Eigentlich hätte Bertil Cederblad schon längst nach Visseltofta hinausfahren müssen, um das Haus für den Winter herzurichten. Wäre ein strenger Frost gekommen – die Wasserleitungen wären geplatzt, denn weder war das Wasser abgelassen worden, noch hatte jemand rechtzeitig Glykol in die Toilette gekippt. Bertil Cederblad war aber nicht gefahren. Der alte Hof war ihm vertraut geworden in den vergangenen Monaten, und er wollte, dass er zugänglich blieb, dass er von einem Tag auf den anderen hätte hinüberfahren und dort wohnen können. Der alte Hof war wieder ein Zuhause geworden. Dann war der Sturm gekommen.
    Es sei in Bertils Wald weniger passiert als bei vielen Nachbarn, hatte der Bauer am Telefon gesagt. Er habe Glück gehabt, weil nur ein kleiner Teil seiner Fläche auf der Höhe läge, der größere Teil hingegen auf tieferem Terrain. Und auch der Mann von Sydved, der Genossenschaft, die den Wald bewirtschaftete, hatte angerufen. Man wolle die Aufräumarbeiten koordinieren und müsse daher in Bertils Wald eine Bestandsaufnahme der Schäden machen. Und, ja, es wäre besser, wenn der Besitzer dabei wäre. Es sei Elchfleisch da, hatte der Bauer zudem gesagt, für ihn, denn der Elch sei ja auf seinem Boden geschossen worden. Und so packte Bertil am Samstagmorgen ein paar Sachen für eine Übernachtung, stieg in seinen dunkelroten Golf und fuhr nach Nordosten.
    Selbstverständlich hatte er die Berichterstattung über den Sturm im Fernsehen verfolgt. Kein Fernsehbild der Welt

Weitere Kostenlose Bücher