Der Sturm
aber hätte ihm vermitteln können, was ihn jenseits von Höör erwartete: die unendlich vielen Kilometer vernichteter Wälder, die Wälle gefällter Bäume, der Anblick einer offenen Landschaft, wo vorher dichter Forst gewesen war. Erst kurz vor Visseltofta, im Tal des Helgeå, sah die Gegend aus, wie sie in seiner Erinnerung immer ausgesehen hatte. Und so sehr er den Anblick seines eigenen Hofes gefürchtet hatte, so erleichtert war er, als er nicht nur das Wohnhaus und die beiden Scheunen sah, offenbar unbeschädigt, sondern auch den Wald, der nur an seinen Rändern gelitten zu haben schien. Auf dem Hof stand bereits ein Volvo Kombi von Sydved. Als Bertil seinen Wagen danebenstellte, stieg der Fahrer aus. Die beiden mussten sich nur kurz verständigen: In zwei Stunden hatten sie den Wald, der zu Bertils Hof gehörte, durchschritten, und es war offenbar, dass er glimpflich davongekommen war. Die Bäume, die er durch den Sturm verloren hatte, machten allenfalls fünfzehn oder zwanzig Prozent des Bestandes aus. Die Natur würde den Verlust in ein paar Jahren ausgleichen. Man werde sie bei Gelegenheit fortschaffen, sagte der Mann, da gebe es jetzt andere Kunden, die weitaus schlechter dran seien.
Als der Mann von Sydved den Hof verlassen hatte, inspizierte Bertil den Hof. Die Scheunen hatten standgehalten, die neuen Ständer hatten sich bewährt, der Dachs war offenbar noch lebendig und seine Familie auch, und das Wohnhaus roch genauso kalt und faulig wie immer in der kalten Jahreszeit. Bertil Cederblad stellte die elektrischen Heizkörper an, die mit lautem Knacken ihren Dienst aufnahmen. Aber die Luft, diese eisig feuchte Luft musste verschwinden, wenn er hier übernachten wollte. Bertil öffnete die Klappe am Schornstein, griff in den Korb neben dem Kamin, zerriss ein paar alte Zeitungen, legte sie in den Kamin, legte ein paar Holzscheite darüber und zündete das Papier an. Es loderte aber nur für ein paar Minuten hell auf, um dann schwarz in sich zusammenzusinken, ohne dass die Scheite Feuer gefangen hätten. Er versuchte es noch einmal, mit demselben Ergebnis. War das Holz zu nass, war im Kamin zu viel Feuchtigkeit, taugte der Abzug nichts, weil man in der Mitte eines Tiefdrucksgebiets mit dem Feuer immer Schwierigkeiten hat? Bertil versuchte es mit noch mehr Papier, baute im Kamin einen richtigen Turm auf, mit zusammengedrückten Zeitungen unten und ganz schmalen Holzscheiten darüber – und stieß im Korb für Altpapier auf ein graues, festes Futteral.
Bertil öffnete die Tasche. Darin lag ein graues Notebook von Hewlett Packard. Er zog es heraus. Ein weißes Blatt Papier fiel ihm entgegen: »Hej Bertil«, stand darauf zu lesen, »ich weiß nicht, ob du diese Nachricht lesen musst. Es wäre vermutlich besser, für dich und für mich, wenn das nicht so wäre. Aber du bist einer der wenigen Menschen, denen ich wirklich etwas zu verdanken habe. Ich vertraue dir. Du musst dieses Gerät für mich aufbewahren. Ich kann es jetzt nicht behalten. Ich kann es auch keinem meiner Freunde geben. Wenn nichts Schlimmes geschieht, hole ich es selber ab, am besten, bevor du bemerkst, dass es überhaupt hier war. Falls dennoch etwas passiert, gib es nicht der Polizei. Dadurch könnte großer Schaden entstehen, für Menschen, an denen mir sehr viel liegt. Bei ›Skåneposten‹ gibt es einen Journalisten, dem man vertrauen kann, jedenfalls hoffe ich das. Er heißt Ronny Gustavsson. Ich weiß, dass er sich mit bösen Geistern auskennt. Bitte ruf ihn an und gib ihm das Gerät. Er wird wissen, was zu tun ist. Dein Schüler Magnus.«
Keinem Zeitungsleser in Südschweden war der Tod des Jungen entgangen. Und Bertil hatte jeden Artikel gelesen, weil er Magnus doch gekannt hatte, besser sogar als die meisten seiner Schüler. Er konnte sich allzu gut an den Besuch im Sommer erinnern, als der Schüler plötzlich aufkreuzte, um seinen alten Lehrer zu sehen. Er hatte sich gefreut über diesen überraschenden Besuch, er hatte gedacht, in dem Jungen wirklich ein Interesse geweckt zu haben, für die Natur, für die Biologie. Er war mit ihm um den Hof gegangen, an den Fluss, und wie aufmerksam er gewirkt hatte. Bertil erinnerte sich sogar daran, wie er Magnus im Wohnzimmer allein gelassen hatte, denn er musste ja Kaffee aufsetzen und Zimtschnecken aufbacken. Und jetzt lag dieses Ding da, dunkelgrau und irgendwie trivial und doch so bedrohlich, als hause ein böser Geist darin, der Geist eines Toten.
Der Bauer kam herüber, um sich den
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