Der Sturm aus dem Nichts
Maitland wurde unruhig. Er fürchtete, sie könne die Lücken entdecken, die seine herausgezogenen Lehrbücher hinterlassen hatten. Der Plattenspieler gehörte Susan, den hatte er hiergelassen, doch die meisten seiner Platten hatte er schon verschifft. Glücklicherweise legte sie die nie auf.
»Gewaltiger Seegang«, fiel Sylvester ein. »Alle großen Hotels haben geschlossen. Sandsäcke vor den Fenstern.«
Maitland nickte. Er überlegte eben, wie er sich einen guten Abgang verschaffen könne, als Susan sich zu ihm umdrehte ein maschinenbeschriebenes Blatt in der Hand. Er erkannte den roten Briefkopf sofort. Sie fragte:
»Und du, Donald? Wo bist du gewesen?«
Maitland winkte ab. »Nichts Besonderes. Nur eine kleine Konferenz.«
Susan nickte. »In Kanada?« fragte sie ironisch.
Sylvester erhob sich, schlenderte zur Tür und nahm im Vorbeigehen die Flasche von der Bar. »Ich will euch mal lieber allein lassen«, verkündete er und kniff vielsagend ein Auge zu.
Susan wartete, bis er fort war. »Das da habe ich in der Küche gefunden. Von der Canadian Pacific. Sieben unbegleitete Gepäckstücke nach Vancouver.« Sie warf Maitland einen Blick zu. »Gefolgt, wie ich annehme, von einem unbegleiteten Ehemann?«
Sie hockte sich auf die Sofalehne. »Und außerdem, nehme ich an hast du keine Rückfahrkarte. Stimmt's, Donald?«
»Sollte dir das wirklich etwas ausmachen?« fragte er.
»Nein. Ich frage nur aus Neugier. Ich könnte mir vorstellen, daß diese Reise seit langem sorgfältig geplant war, ja? Es ist doch wohl kaum möglich, so mir nichts, dir nichts beim Middlesex zu kündigen, eine Fahrkarte zu kaufen und loszufahren. Hast du schon einen Job in Vancouver?«
Maitland nickte. »Am State Hospital. Ich habe mein Stipendium transferieren können. Bitte, Susan, glaube mir, ich habe alles gut überlegt. Und, verzeih, wenn ich so offen bin, aber ich glaube kaum, daß dir das sehr nahegeht, oder?«
»Nicht im geringsten. Keine Angst, ich versuche nicht, dich zurückzuhalten. Offen gestanden, ich pfeif' drauf. Deinetwegen mache ich mir Sorgen, Donald, nicht meinetwegen. Ich frage mich, ob ich dich gehen lassen soll. Ich habe deiner Arbeit im Wege gestanden, nicht wahr, Donald?«
Maitland zuckte die Achseln. »Irgendwie schon. Aber was soll das jetzt noch?«
Plötzlich vernahmen sie den lauten Knall berstender Glasscheiben, und die große Fenstertür sprang auf. Ein heftiger Windstoß ließ die Gardinen bis hoch an die Decke flattern. Eine Lampe stürzte um und warf grell kreisendes Licht an die Wand. Die Wucht des Windstoßes schleuderte Maitland quer durch den Raum. Draußen schepperten und klirrten die Mülleimer, klappten Fenster und Türen. Maitland ging ans Fenster, drückte es mit Mühe wieder zu und brachte die Gardinen in Ordnung. Der Wind, mit annähernd Sturmstärke von Osten kommend, stand direkt auf den Fenstern und drückte die untere Hälfte des Rahmens glatt aus den Angeln. Er rückte eine Kommode davor und stellte die Lampe wieder auf.
Susan stand mit starrem Gesicht in die Nische neben dem Bücherregal gedrückt. Nervös drehte sie ein leeres Glas in der Hand.
»So war's auch in Worthing«, sagte sie leise. »Eine der Scheiben von der Sonnenterrasse am Strand zerbrach, und dann war es, als ob der Wind explodiere. Was meinst du, was das bedeutet?«
»Gar nichts. Wetter wie dies gibt's auf dem Atlantik sechs Monate im Jahr.« Er erinnerte sich an die Sonnenterrasse, einen riesigen, glasumschlossenen Raum, der fast die ganze Länge des Hauses einnahm. »Du hast Glück gehabt, daß dich die Glassplitter nicht verletzt haben. Was habt ihr mit den zerbrochenen Scheiben gemacht?«
Susan zuckte die Achseln. »Gar nichts, das ist es ja. Erst gingen zwei kaputt, und dann gleich zehn auf einmal. Ehe wir uns besannen, blies der Wind herein wie ein Tornado.«
»Und Sylvester?« fragte Maitland ironisch. »Konnte er nicht seinen Rücken schön breit machen und dich in seinen Schutz nehmen?«
»Ach, Donald, du hast ja keine Ahnung!« Susan kam auf ihn zu. Sie schien das Gespräch von vorhin völlig vergessen zu haben. »Es war einfach grauenhaft. Hier in der Stadt ist es nicht so schlimm, aber an der Küste ... Das Wasser bricht überall ein. Den Weg zum Haus gibt's nicht mehr. Darum konnte uns auch kein Mensch zu Hilfe kommen. Die Flut schwemmt Betonbrocken mit, so groß wie dieses Zimmer. Peter mußte einen Bauern holen, der uns mit seinem Traktor quer über die Felder abschleppte.«
Maitland sah auf die
Weitere Kostenlose Bücher