Der Sturz aus dem Fenster
messerdick auf‹. Bei meiner königlichen Hoheit habe ich gleich meterdick aufgetragen. Wirklich gut kam er nur mit ein paar Studentinnen aus, die ihn anhimmelten, und mit ein paar jungen Männern, die dachten, er könnte sie die akademische Schmierenleiter ein Stück nach oben schubsen. Ich wollte Ihnen nicht nahetreten, Frau Professor, das kam eben gemeiner heraus als beabsichtigt. Nicht, daß ich mit vielen gesprochen hätte, die ihn haßten. Aber ständig kam er nach Hause, erzählte von irgendwelchen Sitzungen und prahlte damit, wie er alle möglichen Leute bloßgestellt hätte; und man braucht keinen Doktortitel zu haben, um sich denken zu können, daß sie ihn wahrscheinlich bis aufs Blut haßten und ihn obendrein noch für ein Arschloch hielten. Aber ich wüßte von niemandem, der wilder darauf gewesen wäre, ihn aus dem Fenster zu werfen, als alle anderen. Ich würde Ihnen gern helfen, wenn ich könnte. Und wer’s auch getan hat, er hätte es nicht gerade jetzt tun sollen. Ich bin also nicht so dankbar, wie ich sein 39
könnte.«
»Verkehrte er mit vielen seiner Kollegen?«
»Wenn Sie damit meinen, ob sie zum Essen herkamen – ja, ab und zu, meistens, wenn die Fakultät dafür bezahlte, weil sie einem Neuen auf den Zahn fühlen wollten, wie er es immer ausdrückte.
Manchmal wurden wir auch eingeladen, und dann mußten wir uns natürlich revanchieren. Aber richtige Kumpel hatte er nicht, wenn es das ist, was Sie wissen wollen. Natürlich gab’s Leute, die seiner Meinung waren, aber meistens hatte er was Abfälliges über sie zu sagen. Er mußte sich immer überlegen fühlen, sonst war er nicht zufrieden, wissen Sie.«
»Am Tag nach Thanksgiving flogen Sie also nach Kalifornien.
Hatten Sie eine Ahnung, was er vorhatte, wollte er sich mit jemand treffen, während Sie fort waren?«
»Also, ich wußte, er hatte die Korrekturfahnen für sein neues Buch bekommen und wollte sie lesen. Er hatte vor, Tag und Nacht zu arbeiten, solange ich fort war. Ich nehme an, er wollte etwas in seinen Unterlagen nachprüfen und ist deshalb in sein Büro gegangen.«
»Ich verstehe«, sagte Kate. Von einem neuen Buch hörte sie jetzt zum ersten Mal. »Wo sind die Fahnen heute?«
»Das ist es ja, was komisch ist, wissen Sie. An dem Samstag schickte er sie an seinen Verlag, schrieb mir eine Karte ins sonnige Kalifornien, um’s mir zu erzählen. Weil ich sofort zurückgeflogen bin, als ich von seinem Tod hörte, kam die Karte natürlich erst, als ich wieder hier war. Mein Onkel schickte sie mir nach. Glauben Sie, das Buch hatte etwas damit zu tun?«
»Das halte ich für unwahrscheinlich, zumal, wenn er die Fahnen abgeschickt hatte, ehe er in sein Büro ging, und so sieht es ja aus.
Wissen Sie, wer sein Verleger ist?«
»Harvard. Und er war mächtig stolz darauf. Er war Mitglied in einem dieser affigen Harvard-Clubs; vor kurzem führte eine Frau dort einen Prozeß, weil sie aufgenommen werden wollte. So, wie er darauf reagierte, hätte man meinen können, sie wollte ihn kastrieren, wenn Sie verstehen, was ich meine. Harvard war sein ein und alles.
Und für sein Buch durfte es nur der beste Verlag sein. Er war ’ne echte Kapazität über Araber oder ihre Religion oder Geschichte oder sonstwas. So genau hab ich nie zugehört, um Ihnen die Wahrheit zu sagen. Schließlich ist das ja auch schon ewig lange her, nicht wahr?
Ist Ihnen jetzt nach ’nem kleinen Schlückchen?«
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»Ja«, sagte Kate. »Nach mehr als einem kleinen. Aber ich darf nicht. Ich muß gleich noch eine Vorlesung halten.
Vielleicht darf ich irgendwann auf die Einladung zurückkommen?«
»Wann Sie wollen, Frau Professor«, sagte Cecelia, tänzelte zur Tür und riß sie auf. »Ich würd’ wirklich gern hören, was Sie von sich zu geben haben, wenn Sie mal entspannen, falls Ihnen das überhaupt je passiert.«
Kate trat durch die Tür, und während sie den Korridor zum Lift hinunter ging, winkte sie Cecelia noch einmal matt zu. Ihre Gedanken auf den französischen Roman des achtzehnten Jahrhunderts zu konzentrieren, der heute auf dem Unterrichtsprogramm stand, war nicht leicht. Was um Himmels willen hätte Corinne von Cecelia gehalten? Oder gar Héloise? Was Rousseau von Cecelia gehalten hätte, darüber hatte Kate nicht die geringsten Zweifel.
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Vier
gehaßt wirst, ohne dich dem Haß hinzugeben, dabei nicht zu milde dreinblickst noch zu klug redest
Als Kate ihre Bürotür öffnete, läutete das Telefon. Es war Edna Hoskins. »Wie wär’s mit
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