Der Sturz aus dem Fenster
einzigartigen und überaus großen Einfluß auf die Weltkultur jener Zeit ausübten, was wahrscheinlich stimmte, was Kate aber nicht beurteilen konnte.
Ein weiterer Fakt in ihrer Sammlung war die Sache mit dem jungen Mann, für dessen Habilitation Adams sich eingesetzt hatte. Kate hatte deshalb mit dem Dekan für Geisteswissenschaften gesprochen, 117
der ihr schon ein- oder zweimal einen Gefallen getan hatte, bevor Morde ihre Gespräche trüben konnten. Nach dem üblichen Hinweis, daß alles, was er ihr sagte, strikt vertraulich sei, erzählte er Kate, daß die Habilitation dieses jungen Mannes – sein Name war Jonathan Shapiro – für den größten Aufruhr in jenem Fachbereich gesorgt habe, in dem ohnehin nie etwas ohne die erbittertsten Kämpfe abging, denen gegenüber die Kreuzzüge einer zehntägigen Kreuzfahrt auf einem Luxusdampfer glichen. Es stellte sich heraus, daß der junge Mann kompetent war, genügend Veröffentlichungen vorwei-sen konnte und als Komiteemitglied und Leiter verschiedener langweiliger Veranstaltungen seine Pflicht erfüllt hatte, außerdem war er ein guter Lehrer. Das Problem war sein Spezialgebiet – der Islam –, und die anderen, die über den Mittleren oder Nahen Osten lehrten, vertraten die Ansicht, der Islam sei ohnehin schon zu stark vertreten
– ein Argument, das die Verwaltung schließlich überzeugte. Die Habilitation des jungen Mannes wurde abgelehnt. Zufällig bekam der Fachbereich gerade zu jener Zeit eine ansehnliche Sammlung arabischer Bücher und Dokumente geschenkt, die, zusammen mit der ohnehin großen Nahost-Bibliothek der Universität, einen kompeten-ten Bibliothekar erforderte. Adams’ jungem Mann wurde diese Stelle angeboten, und er nahm sie an. Kate hatte sich die Mühe gemacht, ihn aufzusuchen. Er wirkte gebildet und in jeder Beziehung wie geschaffen für seine Aufgabe.
Gab es sonst noch neue Fakten? Nur noch einen, der eher ein feh-lender als ein existenter Fakt war. Edna hatte Kate erzählt, ihre Freundin aus dem Fachbereich Psychologie habe auf die Anzeige mit der Frage, wer sich während der Thanksgiving-Feiertage auf dem Campus aufgehalten habe, keine einzige Antwort erhalten. Kate war nicht überrascht. Wahrscheinlich würde also nie jemand erfahren, was Adams an jenem Samstag tat.
Kate begann also, ihre Gedanken auf ihre Vorlesungen und die Planung ihrer Kurse zu lenken, und dachte, nicht zum ersten Mal, darüber nach, wie sehr die Lehrtätigkeit im Mittelpunkt des Lebens eines jeden Akademikers steht. Und doch: Je älter die Akademiker, desto weniger bestimmte der Unterricht die täglichen Auseinander-setzungen, weder ihre inneren noch äußeren. Die vielfältigen Anfor-derungen an die älteren Professoren, sowohl universitätspolitische wie wissenschaftliche, nahmen mehr Zeit in Anspruch als beispielsweise die Frage, wie das Dilemma der Prinzessin von Cleve am besten darzustellen sei. Kate erinnerte sich an ihre ersten Jahre als 118
Dozentin – als die Frage, wie sie ihre Vorlesungen gestalten solle, all ihre Gedanken und Pläne bestimmte. War sie heute eine weniger hingebungsvolle Lehrerin? Wahrscheinlich, absolut gesehen schon.
Aber die absolute Wahrheit, rief Kate sich ins Gedächtnis, ist so selten wie schwer faßbar. Bei dem enormen Gewicht, das Colleges und Universitäten heutzutage auf Veröffentlichungen und wissen-schaftlichen Ruf, sowohl national wie international, legten, wurden dem Unterricht und der ganz besonderen Gabe, die er erforderte, im Grunde wenig Aufmerksamkeit geschenkt – trotz aller Lippenbe-kenntnisse. Obwohl Kate dies bedauerte, mußte sie zugeben, daß selbst für sie, die immer eine leidenschaftliche Lehrerin gewesen war, die Ereignisse im Hörsaal eher – wie ihre Ehe – den Hintergrund ihres Lebens bildeten. Im Mittelpunkt des Geschehens standen, zumindest im Augenblick, ganz andere Dinge.
Gerade als sie zu diesem erbaulichen Schluß gekommen war und in ihr Arbeitszimmer gehen wollte, klingelte das Telefon. Es war der ältere der beiden Polizeikommissare, der seit dem zweiten Todesfall die Anweisung hatte, seine Informationen mit Kate zu teilen. »Wir haben etwas gefunden«, verkündete er ihr.
»Den Mörder?« fragte sie. Hoffnung beschleunigte ihren Puls.
»Vielleicht, aber wir haben ihn noch nicht identifiziert. Jemand aus dem Haus der schwarzen Frau hat sich gemeldet. Am Tag, als sie starb, ist sie dort mit einem Mann gesehen worden.«
»Warum hat sie so lange gewartet? Die Zeugin, meine ich.«
»Er
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