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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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Lippen bewegt ... und vorhin hatte ich eine Schutzformel gesprochen. »Doch, stimmt, eine Formel war auch im Spiel. Aber ich erinnerte mich kaum noch, welche, sie sind mir so in Fleisch und Blut übergegangen ...«
    Ein Krachen und Poltern hallte von den Gipfeln der Umgebung nieder. Ganz in der Nähe kollerten Felsen talwärts, zermalmten alles auf ihrem Weg. Von den Halbmenschen kam ein hohes Kreischen. Ich wusste, was das bedeutete. Targon war fast zurück. Hasserfüllt blickte ich auf die silberne Schale nieder. Wegen diesem Ding hatte Joelle sterben müssen! Am liebsten hätte ich es zerschlagen, mit einem schweren Stein in kleine Stücke zertrümmert. Doch eine magische Schale lässt sich kaum zerstören, und mit einem Stein schon gar nicht.
    »War es eine Beschwörung von Erin, Gilia, Zarbas?«, drängte Merwyn. »Oder war es die praktische Formel für Eis oder Hitze, die rituelle für Ebbe und Flut, oder ...«
    »Ebbe und Flut!« Ich schrie es beinahe. »Das Ritual habe ich im Kerker weiterhin gesprochen. Vielleicht erlaubt Flut Targon zu fliehen, und Ebbe braucht man, um ihn zurückzuzwingen ...«
    Wir legten die Fingerspitzen noch einmal auf die Schale, sprachen verzweifelt die rituelle Formel für Ebbe ... und das Wunder geschah. Der gewaltige Strom, der Targon war, versiegte plötzlich; der siebte Gott der Tiefe fiel in die Schale zurück wie ein Vogel, der vom Himmel stürzte. Ich spürte die harte, kalte Schutzschicht, die nun wieder über Targons Wut lag und die er nicht zu durchdringen vermochte. Der Lärm der Steinlawinen verstummte von einem Moment auf den anderen.
    Merwyn und ich blickten uns aus rotgeränderten Augen an. In einer anderen Situation hätten wir uns vielleicht vor Freude in den Armen gelegen und gejubelt. Doch nun dachten wir beide nur an Joelle. Langsam standen wir auf, umgingen die Leichen der Farak-Alit und blickten hinunter in den Abgrund, der unsere Gefährtin verschlungen hatte. Leise schluchzend stand Ynea neben mir, und ich legte den Arm um sie. »Ich konnte sie nicht mal richtig kennen lernen«, sagte sie. »Es ist so unfair, ich hatte sie doch gerade erst wiedergefunden ...«
    Ich wollte irgendetwas sagen, sie trösten, doch die Trauer schnürte mir die Kehle zu.
    Schließlich riss sich Merwyn zusammen. »Wir müssen weiter«, sagte er, zog Ynea mit sich. »Wir sind hier nicht sicher.«
    Die Halbmenschen auf der anderen Seite des Passes waren in Deckung gegangen oder vor Targon ins Tal zurück geflohen. Doch inzwischen hörte ich sie schon wieder leise unter sich murmeln und raunen, fauchen und quaken. Sie warteten noch immer auf uns.
    »Einen Moment noch«, sagte ich zu Merwyn und gab ihm Targons Schale. »Ich komme gleich nach. Nimm das schon mal.«
    Merwyn begriff, dass ich allein sein wollte, dass ich noch Zeit brauchte für meinen Abschied von Joelle. Er nickte und verstaute das silberne Gefäß sehr, sehr vorsichtig in seiner Tunika. Dann begann er mit Ynea und Mi‘raela den letzten Anstieg zum Pass.
    Ich starrte hinunter in die Schlucht und fragte mich, ob Joelle gelitten hatte, ob es schlimm gewesen war. Noch konnte ich nicht um sie weinen, noch war der Schock zu groß. Etwas in mir begriff noch nicht ganz, was geschehen war, es war alles so schnell gegangen.
    Meine Gefährten waren schon fast außer Sicht, als ein Storchenmensch einen Alarmruf von sich gab und ich ganz in der Nähe Schritte hörte. Die Schritte mehrere Menschen, schnell und sicher. Ich fuhr herum – und sah gerade noch, wie drei Farak-Alit den Hang herunter auf mich zustürmten. Verdammt, wie hatten wir diesen zweiten Trupp nur vergessen können! Anscheinend war der Kampf noch nicht vorbei.
    Ich riss mein Messer heraus ... und etwas traf mich hart von hinten am Kopf, ein Stein oder Knüppel. Meine Beine knickten ein, und um mich herum wurde es schwarz.
    * * *
     
    Als Mi‘raela den warnenden Ruf eines Bruders hörte, stutzte sie und hielt an. Entsetzt sah sie, dass andere Leute von Spinnenfinger eingetroffen waren, dass sie Jederfreund erwischt hatten. Ihr Herz begann zu rasen. Wie hatten sie nur zustimmen können, ihn zurückzulassen, selbst wenn es nur für einen Moment der Trauer war! Dumm war das gewesen, dumm! An dieser Stelle konnten die Brüder nicht eingreifen, ohne in die Reichweite der Quelle zu geraten. Nur Mi‘raela war noch ein wenig gefeit gegen ihren Einfluss, die Kräuter wirkten länger nach als gedacht.
    Am liebsten wäre sie sofort hinuntergestürzt, um ihm zu helfen, und sie

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