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Der Südstern oder Das Land der Diamanten

Der Südstern oder Das Land der Diamanten

Titel: Der Südstern oder Das Land der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sehen.
    Da gab ihr tiefer Kummer dem jungen Ingenieur einen rettenden Gedanken ein.
    »Herr Watkins, sagte er plötzlich, es kommt Ihnen doch nur darauf an, Ihr Schriftstück wieder zu erhalten, nicht wahr?… Nun wohl, es ist ganz unnöthig, Dada zu tödten, um dasselbe zu erlangen. Es genügt ihr den Magen zu öffnen, über den jenes noch nicht hinausgekommen sein kann. Wollen Sie mir gestatten, diese Operation vorzunehmen? Ich hab’ einmal einen Cursus am zoologischen Museum durchgemacht und hoffe, bei diesem chirurgischen Lehrlingswerke zur Zufriedenheit zu bestehen.«
    Ob nun diese Vivisection dem Rachegelüste des Farmers schmeichelte, ob sein Zorn sich zu legen begann oder er sich wider Willen von dem aufrichtigen Schmerze seiner Tochter rühren ließ, kurz, er gab nach und stimmte dem vorgeschlagenen Auskunftsmittel zu.
    Sein Document wolle er aber auf keinen Fall einbüßen, erklärte er bestimmt, wenn es sich im Magen des Thieres nicht fände, müsse es eben weiter gesucht werden. Er brauche dasselbe um jeden Preis.
    Die Operation war immerhin nicht so leicht auszuführen, als man auf den ersten Blick, unter Berücksichtigung der resignirten Haltung Dadas, hätte glauben können. Ein Strauß, selbst ein solcher von mäßiger Größe, ist mit furchtbarer Körperkraft ausgerüstet. Kaum durch das Messer eines Gelegenheits-Chirurgen ihrer Federdecke beraubt, war er nur zu gewiß, daß die Patientin sich auflehnen, wüthend werden und rücksichtslos um sich herum schlagen würde. So wurden also Lî und Bardik hinzugerufen, um als Gehilfen zu dienen.
    Zuerst kam man dahin überein, den Strauß gehörig zu fesseln. Dazu wurden die Leinen verwendet, von denen Lî in seinem Zimmer stets einigen Vorrath aufbewahrte. Bald hatte ein ganzes Netz von Schlingen und Knoten die Beine und den Schnabel der unglücklichen Dada umsponnen, welcher es dadurch unmöglich wurde, irgendwie Widerstand zu leisten.
    Cyprien begnügte sich hiermit aber noch nicht. Um die Empfindlichkeit der Miß Watkins zu schonen, wollte er ihrem Strauß überhaupt jeden Schmerz ersparen, deshalb umwickelte er dessen Kopf mit einem chloroformgetränkten, zusammengelegten Leinentuche.
    Erst nachdem das geschehen, schritt er, nicht ohne einige Besorgnisse über den Ausgang derselben, zu der immerhin gewagten Operation.
    Schon erregt durch jene Vorbereitungen, hatte sich Alice, bleich wie der Tod selbst, nach dem Nebenzimmer zurückgezogen.
    Cyprien begann damit, seine Hand längs des Halses des Thieres herabgleiten zu lassen, um sich über die Lage des Kropfes zu vergewissern. Das war nicht schwierig, denn der Kropf bildete am oberen Vordertheile des Brustkastens eine ziemlich beträchtliche, harte, widerstandsfähige Masse, welche seine Finger mitten unter den benachbarten Weichtheilen leicht herausfühlten.
    Mit Hilfe eines scharfen Messers wurde nun die Haut am Halse sorgsam eingeschnitten. Diese erwies sich dick und schlaff, wie bei einem Truthahne, und war mit seinem, grauem Flaum bedeckt, der sich leicht entfernen ließ. Der Einschnitt veranlaßte kaum eine Blutung und wurde mit angefeuchtetem Leinen vorsichtig ausgetupft.
    Cyprien sah nun zunächst zwei oder drei ziemlich starke Pulsadern vor sich liegen, welche er durch kleine eiserne Haken, die Bardik zu halten bekam, an die Seite schob. Dann öffnete er ein weißes perlmutterartiges Gewebe, welches eine weite Höhlung unterhalb der Schlüsselbeine umgab, und hatte bald den Kropf des Straußes bloßgelegt.
    Man stelle sich den Kropf einer Henne, aber dem Umfang, der Dicke und dem Gewichte nach hundertmal vergrößert vor, und man wird eine ziemlich zutreffende Vorstellung von dem Anblick gewonnen haben, den der vorliegende Behälter darbot.
    Der Kropfmagen Dadas zeigte sich in Gestalt einer bräunlichen Tasche, welche sowohl durch das Futter, wie durch die unverdaulichen fremden Körper, die das gefräßige Thier im Laufe des Tages oder wohl auch schon früher verschlungen, stark ausgedehnt erschien. Der erste Blick auf das mächtige, gesunde, fleischige Organ genügte schon, um sich zu überzeugen, daß ein mechanischer Eingriff in dasselbe gefahrlos zu wagen war.
    Mit dem großen Jagdmesser, welches Lî bis dahin verborgen gehalten, nachdem er es vorher sorgsam geschliffen hatte, machte Cyprien einen tiefen Einschnitt in den Kropfmagen des Thieres.
    Jetzt war es leicht, die Hand bis zum Grunde desselben einzuführen.
    Sofort wurde das von Mr. Watkins so schmerzlich vermißte Schriftstück

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