Der Südstern oder Das Land der Diamanten
Cyprien und drohten sich immer mit Thränen zu füllen.
Drei kräftig gegen die Thür des Saales geführte Schläge unterbrachen plötzlich das Geräusch der Unterhaltung und das Klingen und Klirren der Gläser.
»Herein! rief John Watkins mit heiserer Stimme. Wer es auch sei, er kommt zur rechten Stunde, wenn er nur Durst mitbringt!«
Die Thür öffnete sich.
Auf der Schwelle erhob sich die lange hagere Gestalt Jacobus Vandergaart’s.
Alle Tischgäste sahen sich bei dieser unerwarteten Erscheinung verwundert an. Ringsum im Lande kannte ja Jedermann zu gut die Gründe der Feindschaft, welche die beiden Nachbarn, John Watkins und Jacobus Vandergaart, von einander entfernt hielten, so daß sofort ein dumpfes Gemurmel um den Tisch lief. Alle erwarteten einen mehr oder weniger ernsten Auftritt.
Jetzt herrschte Todtenstille. Aller Augen waren auf den alten silberhaarigen Steinschneider gerichtet. Dieser erschien, als er so mit gekreuzten Armen, den Hut auf dem Kopfe und in langem schwarzen Ueberrocke aus besseren Tagen dastand, wie ein Ebenbild der personificirten Vergeltung.
Mr. Watkins fühlte sich von unerklärlichem Schrecken und geheimem Schauer gepackt. Er erbleichte unter der kupferrothen Hautschicht, welche ein langandauernder Alkoholmißbrauch auf seinen Backen erzeugt hatte.
Der Farmer suchte jedoch die unbehaglichen Empfindungen niederzukämpfen, von denen er sich keine Rechenschaft zu geben vermochte.
»He, das hat aber lange gedauert, Nachbar Vandergaart, sagte er, sich als der Erste an Jacobus wendend, bis Sie mir das Vergnügen bereiten, sich in meinen vier Wänden sehen zu lassen! Welcher günstige Wind führt Sie denn heute zu mir?
– Der Wind der – Gerechtigkeit, Nachbar Watkins, antwortete der Greis sehr kühl. Ich komme nur, Ihnen anzumelden, daß das gute Recht nach einem Zeitraume von sieben Jahren doch endlich triumphirt und zum Durchbruche gelangt; komme Ihnen zu verkünden, daß die Stunde der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geschlagen und daß die Kopje, der ja von jeher mein Name verblieben ist, in Zukunft auch wieder mein Eigenthum ist, wie sie das vor dem Richterstuhle der Billigkeit immerfort war…. John Watkins, Sie haben einst fast geraubt, was mir gehörte… heute ist es das Gesetz, welches Sie wieder aus dem Besitze setzt und Sie verurtheilt, mir wieder zu erstatten, was Sie mir vor langer Zeit genommen!«
So sehr John Watkins sich zunächst bei der plötzlichen Erscheinung Jacobus Vandergaart’s und bei der noch gleichsam nebelhaften Gefahr, welche diese zu verkünden schien, versteinert gefühlt hatte, ebenso entsprach es seinem heftigen, gewaltthätigen Charakter, einer ihn unmittelbar bedrohenden und deutlich erkennbaren Gefahr trotzig die Stirne zu bieten.
Nachdem er sich sicher gegen die Rückenlehne seines Armsessels gestützt, fing er jetzt in höchst verächtlicher Weise zu lachen an.
»Der gute Mann ist übergeschnappt! sagte er, sich an seine Gäste wendend. Ich hab’s zwar schon lange gewußt, daß bei ihm eine Schraube locker war… seit einiger Zeit scheint aber sein Oberstübchen ganz aus den Fugen zu gehen!«
Die ganze Tafelrunde beklatschte den plumpen Witz. Jacobus Vandergaart verzog dabei keine Miene.
»Wer zuletzt lacht, lacht am besten! sagte er ernsthaft und zog dabei ein Papier aus der Tasche. Sie wissen, John Watkins, daß ein oberstes und nicht mehr anzufechtendes Untheil, welches selbst die Königin nicht mehr umzustoßen vermöchte, Ihnen den westlich vom fünfundzwanzigsten Breitengrade östlich von Greenwich gelegenen Landstrich dieser Gegend, und mir das Land zugesprochen hat, welches östlich von genannter Linie liegt?
– Gewiß, mein ehrenwerther Faselhans! rief John Watkins. Und deshalb thäten Sie besser, nach Hause zu gehen und sich in’s Bett zu legen, wenn Sie krank sind, als hier Ehrenmänner, welche Niemandem etwas schuldig sind, bei ihrer Mahlzeit zu stören!«
Jacobus Vandergaart hatte sein Papier entfaltet.
»Hier ist eine Erklärung, nahm er in mildestem Tone wieder das Wort, eine vom Gouverneur gegengezeichnete und in Victoria unter dem gestrigen Datum registrirte Erklärung des Kataster-Amtes, welche einen bis heute in allen Karten des Griqualandes vorkommenden Irrthum betrifft. Dieser Irrthum, den die mit der Vermessung des Landes betrauten Geometer vor zehn Jahren dadurch begingen, daß sie die Abweichung der Magnetnadel von dem richtigen Nordpunkte unberücksichtigt ließen, dieser Irrthum, sage ich,
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