Der Südstern oder Das Land der Diamanten
Vandergaart niemals wieder erscheinen werde.
Nur Cyprien glaubte fest an die Ehrbarkeit des alten Steinschneiders und erklärte unentwegt, daß dieser sich schon am vorherbestimmten Tage einstellen würde. Er sollte damit Recht behalten.
Jacobus Vandergaart traf achtundvierzig Stunden später wirklich ein. Sein Fleiß und Eifer für die Arbeit hatten es ermöglicht, den Schliff des Diamanten schon in siebenundzwanzig Tagen zu vollenden. Er schlüpfte des Nachts wieder in sein Haus, um dem Juwel auf der Mühle die letzte Politur zu geben, und am neunundzwanzigsten Tage sah Cyprien den Greis wieder bei sich erscheinen.
»Hier ist der Stein!« sagte er einfach und setzte bei diesen Worten einen kleinen Holzkasten auf den Tisch.
Cyprien öffnete das Etui und stand wie versteinert da.
Auf einer Unterlage von weißer Baumwolle ruhte, in Form eines dodekaëdrischen, das ist zwölfflächigen Rhomboids ein ungeheurer schwarzer Krystall, der seine prismatischen Strahlen mit solchem Feuer aussandte, daß das ganze Laboratorium davon erleuchtet schien. Dieses Kunstproduct von tintenschwarzer Farbe, diamantener Durchsichtigkeit und unerreichtem Brechungsvermögen brachte einen wunderbaren, wirklich aufregenden Effect hervor. Man empfand es, daß man hier einer einzig dastehenden Erscheinung, einem Naturspiel, das wahrscheinlich seines Gleichen nicht hatte, gegenüberstand. Von dem Werthe ganz abgesehen, nahm der Glanz des Edelsteins schon allein alle Sinne gefangen.
»Das ist nicht blos der größte, sondern auch der schönste Diamant, den es auf Erden gibt! sagte Jacobus Vandergaart in ernstem Tone, dem sich ein gewisser Vaterstolz beimischte. Er wiegt vierhundertzweiunddreißig Karat! Sie dürfen sich also schmeicheln, ein Prachtstück erster Ordnung geschaffen zu haben, liebes Kind, und Ihr einfacher Versuch hat gleich ein Meisterwerk geliefert!«
Cyprien hatte auf die Lobpreisung des alten Steinschneiders nicht geantwortet. Er betrachtete sich eben nur als den Urheber einer merkwürdigen Entdeckung. Ohne Zweifel hatten sich schon Viele auf dem Gebiete der anorganischen Chemie nach gleichem Zwecke strebend vergeblich abgemüht, wo er so unerwartet leicht zum Ziele gekommen war. Doch welche nützliche Folgen konnte die Herstellung künstlicher Diamanten für die menschliche Gesellschaft haben? Denn unvermeidlicher Weise mußte diese in gewisser Zeit alle Diejenigen, welche vom Edelsteinhandel lebten, zugrunde richten, und würde deshalb doch Niemand bereichern.
Mit dieser Vorstellung verfiel der junge Ingenieur wieder in jene Berauschung, der er sich während der ersten Stunden seiner Entdeckung hingegeben hatte. Ja, jetzt, wo dieser Diamant in vollem Glanze aus den Händen Jacobus Vandergaart’s wiederkam, erschien er auch ihm selbst nur als werthloser Krystall, dem vielleicht in naher Zeit nicht einmal mehr der Vorzug der Seltenheit zukam.
Cyprien hatte das Kästchen wieder ergriffen, in welchem der unvergleichliche Edelstein funkelte, und nachdem er noch die Hand des Greises warm gedrückt, begab er sich geraden Weges nach der Farm des Mr. Watkins.
Der Farmer saß noch immer unruhig, noch immer erregt wegen der für ihn so unwahrscheinlichen Rückkehr des Jacobus Vandergaart in seinem Zimmer zu ebener Erde. Seine Tochter befand sich bei ihm und suchte ihn nach Kräften zu besänftigen.
Cyprien stieß die Thür auf und blieb einen Augenblick auf der Schwelle stehen.
»Nun?… fragte John Watkins lebhaft, während er sich überraschend schnell erhob.
– Nun, der ehrliche Jacobus Vandergaart ist heute Morgen heimgekehrt! antwortete Méré.
– Mit dem Diamanten?
– Mit dem meisterhaft geschnittenen Diamanten, der noch immer vierhundertzweiunddreißig Karat wiegt.
– Vierhundertzweiunddreißig Karat! stieß John Watkins hervor. Und Sie haben ihn mitgebracht?
– Hier ist er.«
Der Farmer hatte das Kästchen hastig ergriffen, hatte es aufgerissen, und seine großen Augen funkelten jetzt fast ebenso stark wie der Diamant, den er mit einer fast stumpfsinnigen Bewunderung, gleich einem Geisteskranken anstarrte. Jetzt, als er denselben in so leichter, tragbarer, körperlicher und doch glänzender Form zwischen den zitternden Fingern hielt, den colossalen Werth, den der Edelstein darstellte, in der Hand fühlte, steigerte sich sein Entzücken zu solchem Grade, daß es beinahe lächerlich erschien. Mr. Watkins hatte Thränen in der Stimme und sprach auf den Diamanten wie auf ein lebendes Wesen.
»O der schöne,
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