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Der Suender und die Lady

Der Suender und die Lady

Titel: Der Suender und die Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kasey Michaels
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schockieren, sollte er mit Puck zurückkommen. Andererseits bezweifelte sie, dass ihr Morgenmantel das Zeug hatte, Puck zu ermutigen. Das war bedauerlich, aber auch nur zu ihrem Besten, insbesondere, wenn er auf seinen nächtlichen Streifzügen etwas Neues in Erfahrung gebracht haben sollte.
    Die Uhr auf dem Kaminsims schlug Mitternacht, und wieder einmal fragte Regina sich, was geschehen sein mochte.
    Sie waren als recht merkwürdige Gruppe zum Grosvenor Square zurückgekehrt. Sie fuhr allein in der Kutsche, während Puck und die anderen auf dem Kutschbock saßen. Sie würde diese Regelung zu schätzen wissen, hatte Puck ihr fröhlich mitgeteilt, und trotz des Abstands, den er beim Näherkommen hielt, hatte sie ihm bereitwillig zugestimmt.
    Er hatte sein Ripsband verloren, sodass ihm das blonde Haar ins Gesicht fiel, was ihn jung und keck und hinreißend gut aussehen ließ. Sein Hut saß auf Davy Tripps Kopf – er ließ diese arme Seele schlicht albern wirken –, und Pucks Hose wies am Knie einen Riss auf. Hätte er noch glücklicher ausgesehen, dann hätte er wohl gekichert wie ein Kind. Nur der Stockdegen, den er auf den Rücken des schmuddeligen La Reina richtete, sah alles andere als albern aus.
    Ehrlich gesagt, ob es sich nun um Jungen oder erwachsene Männer handelte, nichts konnte ihnen offenbar mit solcher Sicherheit ein Lächeln auf das Gesicht zaubern wie die Gelegenheit, sich im Dreck zu wälzen. Beinahe wie Schweine in Kleidern, überlegte Regina, wenngleich der Schweinehof von Hackett House in Hampshire im Vergleich zu den Männern süß duftete.
    Gelangweilt vom Posieren in ihrem Sessel, noch dazu ohne bewunderndes Publikum, ging Regina hinüber zu den Bücherregalen, um die Titel zu überfliegen. Die Bücher waren unübersehbar oft gelesen. Besonders eines zog ihre Aufmerksamkeit auf sich, denn der Rücken war offenbar gebrochen. Entweder viel gelesen oder schlecht gearbeitet – oder von einem Leser missbraucht, dem die Worte wichtiger waren als das Aussehen. Sie musste es mit Vorsicht behandeln, als sie es von seinem Platz nahm, zu ihrem Sessel hinübertrug und die Kerzen anzündete.
    Die„Aeneis“. Ah, Virgils Versepos, das vom mutmaßlichen Trojanischen Krieg berichtete. Die kannte sie gut. Natürlich hatte sie auch Homers „Ilias“ gelesen, doch dieses Heldenepos behandelte nur drei Tage des zehnjährigen Kriegs, der von den griechischen Göttern des Olymps vielgestaltig unterstützt und begünstigt wurde.
    Die „Aeneis“ enthielt auch die faszinierende Geschichte vom Trojanischen Pferd. Warum jemand von einer abziehenden, geschlagenen Armee ein Geschenk annahm, war ihr schleierhaft. Aber wieder einmal hatten Männer die Entscheidung getroffen, vermutlich im Siegestaumel. Eine Frau hätte ein solches Geschenk angesehen und sich gefragt, warum es gemacht wurde, um es dann rasch beseitigen zu lassen.
    Regina stellte das Buch an seinen Platz im Regal zurück und lächelte, als sie in der Nähe der Tür ein Geräusch hörte. „Zum Glück ist es dieses Mal nicht dein Duft, der dich ankündigt“, sagte sie und drehte sich mit einem Willkommenslächeln um, das jedoch schnell erlosch. „Wer sind Sie?“
    Der Mann rührte sich nicht von der Stelle, beinahe so, als sollte diese Form der Höflichkeit sie irgendwie beruhigen. Für einen Einbrecher verbeugte er sich ziemlich elegant, fand sie, und er war auch ganz und gar nicht wie einer gekleidet, es sei denn, Einbrecher bevorzugten in dieser Saison exquisit geschnittene Abendanzüge.
    Er war dunkelhaarig, von der Sonne gebräunt, als würde er den Großteil seiner Zeit im Freien zubringen, und vermutlich der erschreckend schönste Mann, dem sie je begegnet war. Sehr männlich, aber von nahezu unwirklicher Schönheit, die nur durch den durchdringenden Blick seiner verstörend ausdrucksvollen Augen getrübt wurde. Außerdem schien er sich im Zimmer auszukennen, denn nach seiner Verbeugung ging er geradewegs zur Anrichte und schenkte sich ein Glas Wein aus der Karaffe ein.
    Als sie im Begriff war, vor Angst oder auch Ratlosigkeit zu schreien, wandte er sich um, prostete ihr zu und leerte sein Glas in zwei langen Zügen, bevor er schließlich ihre Frage beantwortete.
    „Eine Frage, die ich auch an Sie richten könnte, Miss Hackett, wäre ich nicht bereits über Ihre Anwesenheit in dieser Residenz, die, soviel ich weiß, zum Teil auch meine Residenz ist, in Kenntnis gesetzt worden. Vermutlich ist mein verkommener Bruder anderweitig beschäftigt.

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