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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Treppe!«
    Frieda Kroner ließ sich aufs Sofa fallen. »Eine Falle ist es allerdings, aber er hat sie gelegt.« Sie verschränkte die Arme. Ihr versagte fast die Stimme, doch sie brachte die Worte heraus: »Jetzt kommt er wegen uns.«
    Der Rabbi setzte sich neben sie. »Frieda hat recht«, bekräftigte er. »Wenn wir die Tür da aufmachen, sind wir alle tot.«
    »Und wenn wir hier bleiben, werden wir alle gebraten!«, hielt der junge Polizist dagegen. Dabei starrte er die beiden alten Menschen an wie Insassen einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt.
    »Nein«, wiederholte Frieda Kroner, »ich gehe nicht.«
    »Ich auch nicht«, erklärte der Rabbi. »Mit solchen Tricks hat er seinerzeit so viele von uns gefangen. Diesmal nicht.«
    »Sie haben sie doch nicht mehr alle!«, rutschte es dem Polizisten heraus. »Hören Sie«, flehte er. »Ich bleibe ja bei Ihnen. Selbst wenn der alte Wichser da draußen ist, wird er nichts unternehmen, solange Sie in meiner Begleitung sind. Kommen Sie schon!«
    »Nein«, beharrte Frieda Kroner.
    Der junge Ordnungshüter hob die Augen zur Decke, als flehte er den Himmel an, diese sturen Schutzbefohlenen zur Vernunft zu bringen.
    »Wir werden sterben!«, brüllte er. »Miss Martinez, helfen Sie mir!«
    Doch Espy Martinez starrte nur die beiden Alten an.
    »Na schön«, meinte der Polizist unsicher, nachdem das Schweigen der anderen für sich gesprochen hatte. »Dann machen wir Folgendes: Ich geh da raus und sehe nach, was los ist. Sobald die Luft rein ist, komme ich zurück. Wenn möglich, bringe ich einen Feuerwehrmann mit. Okay? Sie warten hier, und ich kehre mit Verstärkung zurück. Miss Martinez, Sie kommen mit, dann sind wenigstens Sie in Sicherheit, einverstanden? Also los!«
    Er eilte an die Tür, und Espy Martinez machte einen einzigen Schritt, dann blieb sie stehen.
    »Nein, Sie gehen. Ich bleibe hier beim Rabbi und bei Frieda.«
    Der Polizist drehte sich zu ihr um. »Das ist heller Wahnsinn!«
    »Gehen Sie schon!«, drängte sie. »Ich bleibe.«
    Der junge Beamte zögerte, dann warf er die Tür auf und verschwand auf den inzwischen leeren Flur zur nächsten Treppe.
     
    Zuerst sprachen die beiden Männer kein Wort, während sie mit Signallicht und heulenden Sirenen durch das diffuse Lichtermeer der Innenstadt rasten. Simon Winter hielt sich mit aller Macht am Türgriff fest. Die Stadt schien wie im Zeitraffer an ihnen vorbeizurauschen.
    Walter Robinson fuhr wie ein Todeswütiger.
    Unter dem Aufheulen des Motors, dem Quietschen der Reifen und der Fliehkraft, die ihn an die Rückenlehne drückte, war ihm klar, dass es um alles ging. Alles, was ihm irgendetwas bedeutete, schien plötzlich vom Schattenmann bedroht: seine Liebe, seine Karriere, seine Zukunft. Dieses Wissen trieb ihn in den Zorn der Verzweiflung. So schnell wie noch nie in seinem Leben flog er über die Straßen. Er hatte das Gefühl, dass ihm das Tempo die Brust eindrückte, und schnappte nach Luft.
    Als der Wagen für eine Sekunde schlingerte, dann aber augenblicklich wieder in die Spur kam, rief Winter nur: »Schnell, beeilen Sie sich.«
    »Tu ich doch«, antwortete Robinson mit zusammengebissenen Zähnen. Als ein signalroter Sportwagen vor ihm aus einer Parklücke fahren wollte, brüllte er ein Schimpfwort. Unter wildem Gehupe sausten sie vorbei.
    »Noch zwei Blocks, schnell!«, drängte Winter.
    Walter Robinson sah das Gebäude vor ihnen aufragen, umgeben vom Pulsieren der Warnlichter der Polizei- und Feuerwehrautos. Er stellte sich auf die Bremse und kam schlitternd am Bordstein zum Stehen.
    Die beiden Männer stürzten aus dem Auto. Robinson stand einen Moment still und warf einen Blick auf die bunte Menschenmenge in Nachthemden, Morgenmänteln und Pyjamas, die sich vor dem Gebäude versammelt hatte, und duckte sich weg, als die Feuerwehrleute Schläuche an den nächsten Hydranten anschlossen, während andere mit Sauerstoffbehältern hantierten und sich Äxte schnappten.
    »Espy!«, brüllte er. »Espy!« Er drehte sich zu Winter um. »Sie ist nicht da«, schrie er. »Ich lauf zu ihnen rauf.«
    »Los!«, erwiderte Winter und drängte ihn mit einer wedelnden Handbewegung, sich zu beeilen.
    Doch in der Sekunde, in der Robinson ihm den Rücken kehrte, kam Winter ein anderer Gedanke, bei dem Zuneigung oder Selbstverleugnung keine Rolle spielten. Er folgte Robinson nicht, als der Polizist in rasantem Tempo über die Straße lief und unter dem plötzlichen Protestgeschrei der Feuerwehrleute ins Gebäude stürmte.

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