Der Täter / Psychothriller
weggeblasen, und er war hellwach.
Winters Stimme klang gepresst, beinahe atemlos: »Das war die Wohnung des Rabbi, verdammt! Das war seine Adresse, die durchgegeben wurde. Ich hab’s genau gehört. Man hat einen Löschzug zum Gebäude des Rabbi geschickt!«
Robinson legte den Gang ein und trat mit aller Wucht aufs Gaspedal.
»Wer ist da drinnen? Gottverdammt! Wer ist alles da drinnen?«, brüllte Winter, als könnte er sich im Moment nicht erinnern.
Walter Robinson antwortete nicht. Er wusste es. Zwei alte Leute, ein junger, vermutlich unerfahrener Polizist und Espy Martinez.
Und eine weitere Person.
Kaum hatten sich Mrs.Kroner und der Rabbi in ihre Schlafzimmer zurückgezogen, war Espy Martinez auf der Wohnzimmercouch eingeschlafen. Der zu ihrer Bewachung eingeteilte Beamte war in die Küche gegangen, wo er an seinem Kaffee genippt und einen Roman zu lesen versucht hatte, den der Rabbi ihm empfohlen hatte. Im Halbschlaf wartete er sehnlichst auf seine Ablösung. Bereits fünf Minuten nach Antritt seiner Schicht war er zu dem Schluss gekommen, dass man ihn zu einer gehobenen Form des Babysittings eingeteilt hatte, die an Langeweile nicht zu überbieten war.
Als plötzlich in der Wohnung der Feueralarm ertönte, war er kurz davor, vollends einzuschlafen. Ungläubig fluchend sprang er auf.
Auch Espy Martinez rappelte sich hoch. Sie hatte ein mulmiges Gefühl in der Magengegend und tappte desorientiert durch das Halbdunkel der fremden Wohnung.
Im Gästezimmer schreckte Frieda Kroner aus einem beängstigenden Traum, der an einen Alptraum grenzte und in dem sie sich in einem unbekannten Raum wiederfand, der immer mehr zusammenschrumpfte. Jedes Mal, wenn sie versuchte, die Tür nach draußen zu finden, wechselte der Ausgang die Position, und ihre Hand griff, statt den Knauf zu erwischen, ins Leere. Mitten in diesen verschwitzten Schlaf hinein schrillte die Alarmglocke, und als sie erwachte, schrie sie auf Deutsch: »Fliegeralarm! Fliegeralarm! Alle in den Bunker!« Erst nach ein paar Sekunden wusste sie wieder, wo sie war und welches Jahr sie hatten.
Auch der Rabbi wurde unsanft geweckt. Er zitterte wie vor Kälte, und der Alarm ging wie ein Hagel Fausthiebe auf ihn nieder. Er griff nach seinem Morgenmantel und stürmte aus dem Schlafzimmer.
Der junge Polizist ergriff zuerst das Wort. Er sprach schnell und nervös. »Hören Sie, bitte bewahren Sie Ruhe, Ruhe bitte.« Sein Ton allerdings verriet das Gegenteil. »Okay, bleiben Sie zusammen, und wir verlassen die Wohnung, jetzt …«
Espy Martinez machte einen Schritt Richtung Tür, wurde jedoch von Frieda Kroner unsanft am Arm gepackt.
»Nein!«, brüllte die alte Frau. »Nein! Das ist er! Er ist da!«
Die anderen drehten sich zu ihr um.
»Es ist der gottverdammte Feueralarm«, beteuerte der junge Polizist. »Bleiben wir zusammen und sehen wir zu, dass wir hier rauskommen.«
Frieda Kroner stampfte mit dem Fuß auf. »Das ist er! Jetzt hat er es auf uns abgesehen!«
Der Polizist sah sie an, als sei sie übergeschnappt. »Es brennt, verdammt! Uns bleibt vielleicht nicht viel Zeit!«
Erst jetzt meldete sich der Rabbi. Obwohl seine Stimme zitterte, sprach er bedächtig.
»Frieda hat recht. Das ist er. Irgendwo im Haus.« Er wandte sich an Espy Martinez. »Bleiben Sie, wo Sie sind, Miss Martinez.«
Der junge Polizist starrte die alten Menschen an. Vergeblich bemühte er sich, seiner Stimme Ruhe und Autorität zu verleihen. »Hören Sie, Rabbi, verdammt, wenn in diesem Gebäude ein Feuer ausgebrochen ist, dann sitzen wir in der Falle! Diese Häuser brennen wie Zunder! Hab ich mit eigenen Augen gesehen! Ich habe gesehen, wie Leute eingeschlossen waren. Wir müssen hier raus, und zwar jetzt! Auf welchem Stockwerk sind wir eigentlich?«
Der Rabbi musterte ihn mit einem seltsamen Blick. »Dem fünften.«
»Verflucht noch mal! Wissen Sie denn nicht, dass es in Miami Beach keine Leiter für so eine Höhe gibt? Wir müssen runter, augenblicklich.«
Die Alarmglocke schrillte beharrlich weiter. Durch die Wände und die Wohnungstür drangen Stimmen, und im Flur war gedämpftes Trappeln zu hören. Als plötzlich mehrere panikartige Schreie ertönten, horchten sie auf.
»Da haben Sie’s! Verdammt!«, brüllte der junge Polizist. »Alle anderen sehen zu, dass sie so schnell wie möglich hier rauskommen. Machen Sie schon. Wenn es in so einem alten Gemäuer erst mal brennt, dann war’s das. Es bleibt einfach nicht viel Zeit! Wir müssen sofort zur
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