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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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mich im Moment nicht so gut.«
    »Erklären Sie mir, weshalb Sie allein sind.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Er machte eine kleine, abwinkende Geste, als wollte er sagen: Du bist jung, du bist schön, gebildet und intelligent – du könntest an jedem Finger einen haben. Was sie als eine Art Kompliment auffasste.
    »Weil ich nie jemanden gefunden habe, der …«
    Sie sprach nicht weiter, weil sie nicht wusste, wie. Einen Moment lang hoffte sie, dass Walter Robinson die Stille mit einer anderen Frage füllen würde, doch als sie sah, dass er geduldig wartete, fuhr sie ein wenig verunsichert fort. »Wahrscheinlich wegen meines Bruders.« Sie holte tief Luft. »Wegen meines toten Bruders. Meines armen, törichten, toten Bruders.«
    »Das wusste ich nicht, tut mir leid«, entschuldigte er sich.
    »Nein, schon in Ordnung. Ist fast zwölf Jahre her. Am Labor-Day-Wochenende. Eine Woche später sollte er mit dem Jurastudium anfangen …«
    »Autounfall?«
    »Nein, nichts so Unschuldiges. Er kam mit ein paar College-Freunden von einem Schnorchelausflug in den Keys zurück. Es wurde spät, und sie gingen in einen kleinen Laden, um sich was zu essen zu besorgen. Nur das Übliche: Chips, Bier, Ring-Dings und Slim Jims und all das Zeug, das zweiundzwanzigjährige Männer mit Inbrunst futtern. Jedenfalls sind sie da in diesem Zwischending von Bodega und 7-Eleven, in einer Seitenstraße des South Dixie Highway, ein ganzes Ende von Kendall entfernt, und sie haben all diesen Müll gekauft, und mein Bruder triezt ein bisschen die kleine, alte Kubanerin, die den Laden führt. Er fragt sie, ob sie eine Tochter hat und falls nicht, ob sie selbst vielleicht noch nicht vergeben sei, alles harmloses Zeug. Die beiden reden Spanisch, und er zieht seine Freunde auf, weil sie Anglos sind und nicht verstehen, worüber er und die alte Dame sprechen, als ein Kerl mit einer Strumpfmaske zur Tür hereinkommt und ihnen eine Magnum Kaliber vierundvierzig vor die Nase hält. Er brüllt alle an, sie sollen sich auf den Boden werfen, und einer soll die Kasse öffnen. Alle sind zunächst wie gelähmt, doch dann tun sie, was er fordert, aber er ist ungeduldig, wissen Sie, wahrscheinlich auf PCP , vielleicht ist er auch einfach nur bösartig oder er mag keine Latinos, was weiß ich, aber als die alte Frau zögert, holt der Kerl aus und schlägt sie mit der Pistole, einfach mitten ins Gesicht. Gerade noch hat sie mit meinem Bruder, meinem armen, törichten Bruder Witze gemacht und geflirtet, und jetzt blutet sie mit zerschlagener Nase und gebrochenem Kiefer. Und mein Bruder rappelt sich hoch, nur auf die Knie, und brüllt den Kerl an, er soll aufhören und sie in Ruhe lassen. Der Kerl hat nur einen flüchtigen Blick für meinen Bruder übrig und lacht kurz auf, als überlegte er, wer eigentlich verrückter sei, mein Bruder oder er selbst, und dann erschießt er ihn, direkt in die Brust. Ein einziger Schuss. Peng! Die alte Frau schreit und fängt an zu beten, und die Freunde meines Bruders pressen sich an den Boden und denken, sie sind als Nächste dran. Und das wären sie auch gewesen, denn der Kerl dreht sich zu ihnen um, zielt mit der Magnum auf sie und drückt ab. Einmal. Zweimal. Dann fährt er herum und richtet die Waffe auf die alte Frau, drückt ein drittes Mal ab. Nichts. Klick. Klick. Klick. Sie stehen alle viel zu sehr unter Schock und sind in Panik, um zu begreifen, dass der Kerl nur eine Kugel in der Knarre hatte. Der Bursche lacht, dann rennt er mit dem Bargeld und einer Tüte Tortilla-Chips nach draußen …«
    Sie holte noch einmal tief Luft. »Eine Kugel und eine Tüte Tortilla-Chips.«
    »Das tut mir leid …«, begann Robinson, doch sie wehrte ab.
    »Mein armer, törichter Bruder, der besser den Mund gehalten hätte, aber das hätte ihm nun mal nicht ähnlich gesehen. Er hat’s nicht mal bis ins Städtische Krankenhaus von Miami geschafft.«
    »Schon gut«, sagte Robinson, der nicht sicher war, ob er wollte, dass sie weitererzählte.
    »Nein«, widersprach Martinez leise. »Das muss mal raus. Ich war fünfzehn, ich lag zu Hause im Bett und hatte schon geschlafen. Ich hörte meine Eltern weinen, dann sind sie ins Krankenhaus gefahren. Sie haben mich zurückgelassen, allein. Ich hab die ganze Nacht im Dunkeln gesessen und auf ihre Rückkehr gewartet. Meinen Bruder habe ich nie wiedergesehen, außer bei der Beerdigung, und da sah er ganz anders aus, verstehen Sie. Ich meine, er hat nicht wie sonst immer gegrinst und andere gefoppt. Das war

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