Der Täter / Psychothriller
trockenen Tüchern.«
»Können wir das alles noch ein letztes Mal miteinander durchgehen? Vielleicht entdecken wir ein Problem vorab, wenn wir drüber sprechen? Ich wär ganz gerne gewappnet, wenn Alter versucht, eine Verständigung auszuhandeln. Macht es leichter, nein zu sagen.«
Auf so eine Chance hatte Robinson nur gewartet. »Was halten Sie davon, irgendwo essen zu gehen oder so? Ich bring die Fallakte mit, wir können bei einem gemeinsamen Abendessen alles in Ruhe durcharbeiten …«
Espy Martinez zögerte. Ihr Gesicht lief rot an. »Walter, ich weiß nicht, ob wir Arbeit und Privates …«
Sie führte den Satz nicht zu Ende, und er füllte die Schweigepause:
»Hey, keine Sorge. Bei einem richtigen Date würde ich Sie ins Kino, ins Theater oder ins Konzert einladen. Ich würde mit Schlips und einem Blumenstrauß oder Pralinen bei Ihnen auf der Matte stehen und Ihnen die Wagentür aufhalten. Zu einem richtigen Date gehört eine gute Portion Nervosität, höflicher Small Talk und bestes Betragen. Das hier ist was anderes. Ich finde, ich bin Ihnen für gestern Nacht was schuldig. Schließlich sollten Sie sich nicht gezwungen sehen, auf jemanden zu schießen. Das macht mir richtig Schuldgefühle.«
Martinez schmunzelte, bevor sie antwortete: »Sie konnten nichts dafür.«
»Jedenfalls ist es ganz bestimmt nicht so gelaufen, wie ich es geplant hatte.«
»Hey«, witzelte sie, »meinen Sie, ich habe was dagegen, dass mich alle hier für gefährlich halten?«
»Gefährlich und berüchtigt?«
»Genau. Schießwütig und knallhart. Eine Frau, die nicht mit sich spaßen lässt.«
Sie lachten beide.
»Also gut«, meinte sie. »Morgen Abend.«
»Ich hol Sie im Büro ab?«
»Nein, zu Hause. Wissen Sie noch, wie Sie hinkommen?«
Aber gewiss.
Natürlich redeten sie nur am Anfang und nur am Rande über den Fall, wie um die Form zu wahren und eine lästige Pflicht zu absolvieren. Er führte sie in ein Restaurant, in dem sie draußen sitzen und den Blick über die Biscayne Bay genießen konnten – eins von der Sorte, in der die Kellner die Nase sehr hoch tragen und mittelmäßiges Essen servieren, das sich unter schweren Soßen und der spektakulären Aussicht versteckt. Im Lauf des Abends konnte Robinson beobachten, wie die Blautöne des Wassers vom Horizont bis an den Strand wanderten und von blassem Himmelblau in Azur und schließlich ein sattes Marineblau übergingen, das sich irgendwann kaum noch von der schwarzen Sommernacht unterschied. Die Lichter der Stadt gingen an und überzogen die Wasserfläche mit hellen Tupfern, als seien ihre Kräusel von einem Impressionisten gemalt.
Sie saß ihm gegenüber und ließ sich von der unbekümmerten Romantik der Tropen anstecken. Sie spürte, wie eine leichte Brise mit den Falten ihres lose sitzenden Kleides spielte und sie mit der Vertraulichkeit eines alten Liebhabers an verborgenen Stellen berührte. Sie lehnte sich zurück und strich sich mit der Hand durchs Haar. Sie betrachtete Walter Robinson und fand, dass er umwerfend gut aussah und dass ihre Eltern, könnten sie die Tochter jetzt mit ihm sehen, tagelang nicht mit ihr sprechen würden, es sei denn, sie wären davon überzeugt, dass es hier streng um Berufliches ging. Und so fragte sie mit Rücksicht auf diesen Gedanken und um wenigstens die Illusion von Arbeit aufrechtzuerhalten:
»Jefferson?«
Robinson lächelte. »Richtig. Ein Arbeitsessen. Für Leroy Jefferson sehe ich eher schwarz – klingt wie ein plumper Witz, rassische Konnotationen lagen nicht in meiner Absicht.«
Sie nickte. »Inwiefern?«
»Kurz bevor ich heute Abend das Büro verließ, bekam ich einen Anruf von Harry Harrison – wie können Eltern ihr Kind Harry nennen, wenn es Harrison mit Nachnamen heißt? – von den Jungs, die für die Fingerabdrücke zuständig sind. Und jetzt raten Sie mal, wer seine Abdrücke auf Sophie Millsteins Kommodenschublade verewigt hat?«
»Unser Mann Jefferson?«
»Ebender.«
»Nun, das war’s dann für ihn, oder?«
»Schon, mehr oder weniger. Harry sagt, er muss sich noch die Abdrücke auf dem Schmuckkästchen, an der Schiebeglastür und von Sophies Hals vornehmen, aber er wollte uns schon mal wissen lassen, was er bis jetzt rausbekommen hat.«
»Leben Sie wohl, Mr.Jefferson.«
»Außerdem hat Kadosh ihn ziemlich sicher identifiziert, als wir ihm eine Reihe von Fotos vorgelegt haben.«
»Was heißt, ziemlich sicher?«
»Er hat Jeffersons Foto hochgehalten und gesagt, ohne ihn in
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