Der Täter / Psychothriller
Weinglas und nahm einen großen Schluck. »Ich würde gerne einen Witz machen und uns wieder zum Lachen bringen«, fügte sie hinzu.
Walter Robinson überlegte einen Moment und fragte sich, weshalb er das Gefühl hatte, dass irgendetwas fehlte, dann begriff er, was es war. Bevor er recht wusste, was er tat, platzte er heraus: »Der Mann, der deinen Bruder erschossen hat … war Schwarzer, ja?«
Martinez antwortete nicht sofort. Dann nickte sie.
Robinson seufzte und dachte, während er sich zurücklehnte: Da haben wir’s; das war’s dann wohl. Er wurde wütend, nicht auf Espy Martinez oder auf sich selbst oder auf sonst jemand Bestimmten. Er war einfach wütend auf die ganze Welt, als Espy Martinez plötzlich die Hand ausstreckte und seine so heftig packte, als hinge sie über einem Abgrund.
»Nein«, erklärte sie langsam, »er war er, und du bist du.«
Ihn durchlief ein Freudenschauer, und er beugte sich wieder zu ihr vor.
Sie lächelte. »Mein Name«, begann sie, »wissen Sie, was das heißt?«
»Espy?«
»Nein, Dummi, Esperanza.«
Er grinste. »Also, so viel Spanisch bring ich noch gerade zusammen. Es bedeutet
Hoffnung
.«
Sie wollte gerade etwas antworten, als der Kellner mit ihrem Essen kam. Er stand mit den Tellern vor ihrem Tisch, konnte sie ihnen aber schlecht auf die ausgestreckten Arme stellen. Er hüstelte und fragte: »Sie gestatten?« Espy Martinez und Walter Robinson lachten.
Sie aßen hastig, ließen das Dessert aus, ignorierten den angebotenen Kaffee.
Es war, als hätten ihre gegenseitigen Bekenntnisse sie von allen Zwängen des Posierens, Heranpirschens und der kleinen Täuschungsmanöver befreit. Als er sie quer durch die Stadt nach Hause fuhr, blieb sie stumm. Vor ihrer Haustür schaltete er den Motor aus. Sie blieb sitzen und spähte zu der Doppelhaushälfte ihrer Eltern hinauf. Mit ziemlicher Sicherheit sahen sie gerade aus dem Fenster.
Robinson setzte zu einer Bemerkung an, doch sie hörte nicht hin.
Stattdessen drehte sie sich zu ihm um und flüsterte mit einer Dringlichkeit, die sie selbst überraschte: »Fahr mich irgendwo anders hin, Walter. Egal wohin. Zu dir. In ein Hotel. Einen Park. Zum Strand, was weiß ich. Alles, nur nicht hier.«
Er sah sie schweigend an, und im selben Moment stürzten sie sich aufeinander, schlossen sich in die Arme, küssten sich wie elektrisiert. Als sie ihn an sich zog, hatte sie das Gefühl, als brächte sie nicht nur die geballte Einsamkeit und die Probleme ihres ganzen Lebens zum Einsturz, sondern auch ihr mühsam gewahrtes Gleichgewicht ins Wanken. Wenn sie ihn nur mit seinem Gewicht fest an sich drückte, so hoffte sie, kämen ihre aufgewühlten Emotionen vielleicht wieder ins Lot.
Er nahm sie mit in seine Wohnung. Kaum hatte er die Tür hinter ihnen geschlossen, fielen sie auf dem Boden seines Wohnzimmers übereinander her mit der ungestümen Hast zweier Gesetzesbrecher, die befürchteten, jeden Moment gefasst zu werden. Mit unbändigem Verlangen zerrten sie sich gegenseitig aus den Kleidern und vereinten sich so schnell, als bliebe ihnen keine Zeit, den Körper des anderen zu erkunden. Espy Martinez zog Walter Martinez einfach auf sich herunter und versuchte, ihn zu umfangen; er fühlte sich seinerseits wie ein zu stark aufgeblasener Ballon, der jeden Moment explodieren musste. Ihre weiche Haut, die Wölbung ihrer kleinen Brüste, die Form ihres Geschlechts, der Geschmack des Schweißes, der sich an ihrem Hals bildete – das alles nahm er nur am Rande wahr, während er in ungezügelter, urtümlicher Begierde in sie eindrang und sie sich ihm entgegenhob.
Hinterher rollte er sich keuchend zur Seite. Den Unterarm auf den geschlossenen Augen, blieb er auf dem Rücken liegen. Im nächsten Moment hörte er sie sagen: »Also, Walter, hast du auch so was wie ein Schlafzimmer? Ein Bad? Eine Küche?«
Er öffnete die Augen und sah, wie sie sich grinsend auf den Ellbogen gestützt über ihn beugte.
»Ja, schon, Espy. Ich verfüge über den üblichen modernen Komfort. Einen Kühlschrank. Kabelfernsehen. Klimaanlage. Teppichboden …«
»Ja«, meinte sie lachend und strich ihm mit dem Haar über die Brust. »Mit dem Teppichboden habe ich schon Bekanntschaft geschlossen.«
Während sie sprach, senkte sie die Lippen auf seine Brust und schmiegte die Wange an ihn, um auf seinen rasenden Herzschlag zu horchen.
»Der Rausch der Begeisterung«, seufzte er.
»Noch einmal, Walter«, fragte sie leise. »Wer bist du?«
Diesmal antwortete er
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