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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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fragend an. «Woher soll ich wissen, wieso ich überlebt habe? Ich bin im Krankenhaus aufgewacht, meine Tante hat mich zu sich genommen, und ich habe versucht, die Vergangenheit zu vergessen. Die wenigen Dinge, an die ich mich erinnere, tauchen in meinen Träumen auf, das heißt, sie entsprechen womöglich gar nicht der Wirklichkeit. Keine Ahnung. Ich will es auch gar nicht wissen. Meine ersten acht Jahre sind praktisch aus meinem Gedächtnis gelöscht. Das hat seinen Grund. Und es konnte nicht ausbleiben, dass die zwanzig Jahre danach auch kein Zuckerschlecken würden. Klar, Sie werden sich wahrscheinlich an Ihren ersten Schultag erinnern, an den Hund, der Ihnen zum zehnten Geburtstag geschenkt worden ist, an das Kleid, das Sie zur Schulabschlussfeier getragen haben. Sei Ihnen gegönnt. Ich bin eben ein bisschen anders.»
    Die beiden Detectives musterten mich skeptisch.
    «Und das sollen wir Ihnen glauben?», fragte der böse Cop Detective O. «Dass Sie Ihre gesamte Kindheit aus Ihrem Gedächtnis gelöscht haben?»
    «Nicht nur die. Ich kann mich insgesamt nur schlecht erinnern. Wie soll ich Ihnen das erklären? Was geschehen ist, lasse ich mir im Nachhinein einfach nicht mehr durch den Kopf gehen. Vielleicht bin ich verrückt, aber so funktioniert das für mich. Ich stehe jeden Morgen auf. Aus der Zeit, bevor mich meine Tante zu sich genommen hat, weiß ich nur noch, dass ich mein Bett nicht mehr verlassen wollte. Ich lebte zwar, war aber alles andere als einverstanden damit.
    Acht Jahre», flüsterte ich. «Ich war acht Jahre alt und wünschte mir bereits, tot zu sein.»
    «Erzählen Sie uns von Ihren Träumen», sagte D.D.
    «Manchmal träume ich von einem weinenden Baby. Das kommt mir dann sehr real vor. Letzte Nacht aber habe ich von meiner Mutter geträumt, die bei heftigem Regen ein Grab aushob. Anstelle der Haare ringelten sich Schlangen um ihren Kopf, die mich anzischten. Ich schnappte mir das kleine Mädchen, das hinten im Flur lag, und rannte mit ihm davon. Das mit den Schlangen ist natürlich Unsinn, und ein Kind kann unmöglich mit einem Säugling im Arm auf einen Baum klettern. Völlig daneben ist auch der Name der kleinen Schwester. Im Traum hieß sie Abigail, in Wirklichkeit aber Rosalind.»
    «Abigail?», hakte Detective O nach. Sie und Detective Warren tauschten Blicke. «Erzählen Sie uns von Abigail.»
    Ich schüttelte den Kopf und massierte meine Schläfen, hinter denen es zu pochen anfing. «Erzählen Sie mir von ihr. Steht in Ihren Berichten etwas über eine Abigail? Ich habe den Namen meiner Tante gegenüber erwähnt, doch er sagt ihr nichts. Es gab zwei Babys. Rosalind und Carter. Aber keine Abigail.»
    «Wie gesagt, eine Geburtsurkunde liegt nicht vor.» D.D. musterte mich jetzt mit einem ähnlich harten Blick wie Detective O. «In Ihrem Traum, wie sah Abigail da aus?»
    «Wie ein Baby. Sie lächelte mich an. Aus großen braunen Augen.»
    «Sind Sie sicher?», fragte Detective O. «Waren sie nicht vielleicht blau?»
    «Keine Ahnung. Im Traum waren sie jedenfalls braun. Aber … vielleicht. Haben nicht alle Neugeborenen blaue Augen?»
    «Aber in Ihrer Erinnerung sind sie braun», stellte D.D. fest. «Es kommt durchaus vor, dass die blauen Augen eines Säuglings nachdunkeln und braun werden. Aber kommt ein Kind mit braunen Augen zur Welt, werden sie später nicht blau.»
    Ich schüttelte den Kopf. Die beiden verwirrten mich, nicht nur wegen der Heftigkeit, mit der sie mir zusetzten. «Meine Tante sprach von zwei Babys, und das entspricht ja auch den Erkenntnissen der Polizei.»
    «Es ist möglich, dass es weitere Kinder gab», sagte D.D. leise. «Den Berichten nach ist Ihre Mutter häufig umgezogen und hat selten länger als ein Jahr an einem Ort zugebracht. Vielleicht konnte sie so ihre Schwangerschaften geheim halten und verhindern, dass ihr allzu viele Fragen gestellt wurden. Von der Polizei wurden natürlich auch frühere Wohnungen durchsucht. Aber es ist nicht auszuschließen, dass sie die Überreste anderer Babys irgendwo im Wald vergraben hat.»
    «Wer tut so etwas?»
    «Jemand, der krank ist.» D.D. zuckte mit den Achseln. «Ihre Mutter litt an einem Münchhausen-Syndrom, einer schweren narzisstischen Störung. Sie hat ihre Kinder misshandelt, um Aufmerksamkeit und Zuwendung zu bekommen. Dafür nahm sie sogar den Tod ihrer Kinder in Kauf. Sie wird eine Schwangerschaft womöglich als Bedrohung empfunden und ein Kleinkind als Konkurrent um Aufmerksamkeit gefürchtet haben.»
    «Was

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