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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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fällt Ihnen dazu ein, Abigail ?», mischte sich Detective O wieder ein.
    «Wie bitte?»
    Detective Warren warf einen abschätzigen Blick auf O und wandte sich wieder an mich. «Haben Sie jemals versucht, Ihre Mutter ausfindig zu machen?»
    «Nein.» Ich zögerte und drückte meine Hand auf die Seite. «Ich, ehm, ich glaube, damals ist etwas Schreckliches passiert, weiß aber nur noch, dass ich im Krankenhaus aufgewacht und von meiner Tante abgeholt worden bin. Meine Mutter habe ich nie wieder gesehen. Weil auch meine Tante nicht mehr auf sie zu sprechen kam, habe ich angenommen … angenommen, dass sie sich etwas angetan hat.»
    «Bei der Polizei ist damals ein Notruf eingegangen. Man fand Sie in der Wohnung, blutüberströmt. Bei der Hausdurchsuchung wurden in einem Wandschrank auf dem Flur zwei Plastiktonnen mit menschlichen Überresten sichergestellt. Gegen Ihre Mutter wurde Haftbefehl erlassen, aber zu einer Festnahme kam es nie.»
    «Aber sagten Sie nicht, sie sei gefunden worden?»
    «Sie haben nach eigener Auskunft mit Ihrer Tante gesprochen», unterbrach Detective O, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. «Ist sie hier in der Stadt, oder haben Sie mit ihr telefoniert?»
    «Sie ist hier …»
    «Wo?»
    «In meinem Zimmer.»
    «Wann ist sie gekommen?»
    «Heute Morgen.»
    «Und was war gestern Abend?»
    «Gestern Abend?»
    «Wo waren Sie nach unserem Gespräch? Haben Sie mit Ihrer Tante gesprochen, sich mit Freunden getroffen oder sind mit Ihrem Hund Gassi gegangen?»
    «Ich bin nach Hause. Ich hatte in der Nacht zuvor gearbeitet und war müde.»
    «War Ihre Vermieterin da?», fragte D.D. und lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. «Hat sie Sie kommen oder gehen sehen? Könnte sie das bezeugen?»
    «Ich weiß nicht. Augenblick. Nein. Ich hatte Tulip bei mir, und sie darf nicht ins Haus. Aber es war so kalt draußen, dass ich sie heimlich durch die Hintertür in mein Zimmer geführt habe.»
    «Das heißt, niemand sah Sie kommen.» Jetzt war Detective O wieder an der Reihe.
    «Das ist Sinn und Zweck einer heimlichen Aktion.»
    «Und heute Morgen?», wollte Detective Warren wissen.
    «Habe ich gegen vier das Haus verlassen.»
    «So früh?»
    «Ich konnte nicht schlafen. Das bleibt nicht aus, wenn man nachts arbeitet. Ich bin zum Training gegangen.»
    «Gegen vier. Und dafür gibt’s bestimmt auch keine Zeugen», meinte Detective O. «Kann es vielleicht noch früher gewesen sein?»
    «Ich weiß nicht.» Ich warf beide Hände in die Luft.
    «Doch, das wissen Sie sehr wohl. Sie wollten nicht gesehen werden und hatten Erfolg damit», sagte Detective Warren. «Also hat Sie niemand gesehen.»
    «Sie sagten, Sie wüssten, wo sich meine Mutter aufhält!»
    «Ja.»
    «Wo?»
    «Sind Sie von Ihrer Mutter jemals Abigail genannt worden?» Es war nun wieder Detective O, die fragte.
    «Was? Nein. Ich heiße Charlene. Kurz: Charlie. Dass ich mir zwei Mittelnamen zugelegt habe, bedeutet nicht, dass ich meinen eigenen Namen nicht kenne.»
    Detective Warren zog eine Braue in die Stirn. «Oh, mir scheint, es gibt da noch einiges, was Sie nicht wissen.»
    «Ich will wissen, wo meine Mutter ist.»
    «In Colorado», sagte D.D.
    «Haben Sie eine Adresse?»
    D.D. musterte mich. «Ja.»
    «Geben Sie sie mir.»
    «Keine Sorge, Ihre Mutter macht sich nicht aus dem Staub.»
    Ich hielt inne und beobachtete die beiden Detectives voller Argwohn. «Ist sie im Gefängnis? Hat man sie endlich geschnappt?» Dann, einen Herzschlag später: «Nein, wenn sie im Gefängnis säße, hätte es einen Prozess gegeben, und ich wäre als Zeugin vorgeladen worden.» Ich zögerte wieder. Mir schwirrte der Kopf. «In einer psychiatrischen Anstalt? Ist sie endgültig durchgedreht?»
    «Sie halten Ihre Mutter für verrückt?», fragte Detective O.
    «Sie hat mich verletzt. Sie hat zwei Babys getötet. Natürlich ist sie verrückt.»
    «Aber Sie erinnern sich doch an nichts. Finden Sie das normal?»
    Ich hielt die Luft an und starrte der jüngeren Frau ins Gesicht. Und plötzlich ging mir ein Licht auf. Detective O war nicht entsetzt von der Geschichte meiner Mutter. Ich war es, die sie entsetzte.
    Das Mädchen, das nur knapp mit dem Leben davongekommen war und sich an nichts erinnerte. Das Mädchen, das sich immerhin noch halbwegs frei bewegen konnte, während seine Geschwister in einem Wandschrank gehaust hatten und darin gestorben waren. Das Mädchen, das den Geschwistern dann auch noch die Namen genommen hatte.
    Ich hatte zeit meines Lebens

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