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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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einfach.»
    Er ließ seinen Arm fallen. Tulip winselte leise. Es schien, als spürte sie mein Unbehagen.
    «Gute Arbeit», sagte er. «Ich finde … Vielen Dank, Charlie.»
    «Ich bin nur froh, dass Ihnen nichts passiert ist», erwiderte ich. «Und entschuldigen Sie noch mal, dass es so lange gedauert hat, bis ich die Lage gepeilt habe. Wird nicht wieder vorkommen.»
    Noch zwei Nachtschichten. Mehr fiel mir dazu nicht ein. Noch zwei Nachtschichten.
    Officer Mackereth richtete seinen Blick auf Tulip, die sich an meine Beine drückte. Ich schaute auf seine Hände, die zur Seite herabhingen. Dass er keinen Ehering trug, hatte nichts zu bedeuten. Von den verheirateten Beamten trugen nur die wenigsten ihren Ring; sie wollten im Dienst nichts Persönliches von sich preisgeben.
    «Ich bring Sie nach Hause», sagte er plötzlich.
    «Das ist nicht …»
    Er fiel mir ins Wort. «Mit ihr lässt man Sie nicht in die U-Bahn», sagte er und zeigte auf Tulip. «Wir hier sehen das nicht so eng», fügte er schmunzelnd hinzu und schien mich necken zu wollen. «Aber die Bostoner Verkehrsbetriebe stellen sich ziemlich an.»
    Ein unschlagbares Argument. Die Hinfahrt im Taxi hatte mich dreißig Scheine gekostet, fast ein Drittel meines Lohns. Wenn ich noch einmal so viel für den Rückweg zahlen würde, bliebe mir nach den Steuern nicht mehr viel übrig, und ich hätte mir die Arbeit schenken können.
    Trotzdem zögerte ich. Alte Instinkte lassen sich nicht ohne weiteres abstellen. Aber Detective D.D. Warren hatte mir geraten, mich meinen Kollegen anzuvertrauen, die in keinerlei Verbindung zu Randi oder Jackie gestanden hatten. Und weil sie nicht Teil des Problems sein konnten, sollte ich sie zur Lösung mit einbeziehen.
    Außer … Dass Officer Mackereth mich beim Namen nannte, bedeutete nach der Logik eines Kriegsfilms meinen unmittelbar bevorstehenden Untergang. Im Drehbuch meines Lebens aber war er als Nächstes dran, wenn ich seinen Namen nannte. Nicht, weil ich den Kreis derer, die mir gefährlich werden konnten, nach Möglichkeit dezimieren wollte, sondern weil ich versuchen musste, mich selbst zu bändigen.
    «Kommen Sie, Charlie», sagte Officer Mackereth fast ruppig. «Sie haben mir heute Nacht wahrscheinlich das Leben gerettet. Im Gegenzug möchte ich Ihnen wenigstens das Taxi ersparen.»
    Er wandte sich der Tür zu. Tulip und ich folgten – Tulip hüpfte sogar, sichtlich erfreut über so viel unerwartete Aufmerksamkeit.
    Ich fragte mich, was Jackie zu dieser Zeit vor einem Jahr getan hatte, was ihr durch den Kopf gegangen sein mochte und mit wem sie kurz zuvor zusammen gewesen war. Und ich fragte mich, ob sie, die Organisatorin unseres Trios, ihren Tod vorhergesehen hatte und, wenn ja, wie sie auf eine vergleichbare Situation reagiert hätte.
    Hätte sie nein gesagt oder ja?
    Das ist die zentrale Frage überhaupt, oder? Was bereut man am Ende mehr: etwas getan oder etwas unterlassen zu haben?
    Mir blieben noch vierundachtzig Stunden abzuzählen, und ich folgte Officer Mackereth zu seinem Streifenwagen.

    Ich bat ihn, mich in Cambridge am Harvard Square rauszulassen. Das war nahe meiner Wohnung, und ich würde mit Tulip noch ein wenig laufen können.
    Er hatte mir erzählt, dass er in Grovesnor wohnte. Officer Mackereth würde also meinetwegen einen Riesenumweg machen, und das zur morgendlichen Rushhour. Wieder protestierte ich. Trotzdem führte er mich zu seinem Streifenwagen, den er wie alle Uniformierten auch privat nutzte.
    Ich stieg vorn ein und nahm auf dem Beifahrersitz aus echtem schwarzem Leder Platz, der sehr bequem war. Tulip musste mit der harten vinylbezogenen Rückbank vorliebnehmen, die man notfalls mit dem Wasserschlauch abspritzen konnte. Für meine Hündin war sie leider viel zu glatt. Als sie das zweite Mal heruntergerutscht war, blieb sie lieber gleich unten auf dem Boden liegen.
    «Woher stammen Sie», fragte Officer Mackereth, als wir auf die I-93 einbogen.
    «Aus New Hampshire.»
    «Concord?»
    «Weiter nördlich. In den Bergen.»
    «Fahren Sie Ski?»
    «Ein bisschen. Langlauf.»
    «Als ich noch im College war, bin ich viel Abfahrt gefahren», erzählte er. «Bis mir einmal die Achillessehne gerissen ist. Langlauf wäre vielleicht auch für mich besser. Haben Sie Familie?»
    Ich rutschte auf meinem Platz hin und her und blickte zum Fenster hinaus. «Unverheiratet. Und Sie?»
    «Ebenfalls. Haben Sie einen Freund?»
    «Tulip ist ziemlich eigen», antwortete ich.
    Er kicherte. «Seit wann haben Sie

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