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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Nicht so bei Ihrem Schreiber. Er oder sie produziert offene, sehr elegante Bögen. Interessant erscheinen mir auch M und N. Die Buckel sind perfekt gerundet, während im Gegensatz dazu das W in Irgendwann spitz gewinkelt ist. Diese Präzision und Akkuratesse spricht nicht nur für einen ausgeprägten Kontrollwunsch, sondern auch für ein gehöriges Maß an Praxis. Der Verfasser schreibt viel.»
    «Glauben Sie, er oder sie ist gebildet? Überdurchschnittlich intelligent?», fragte D.D.
    «Ich tippe auf jemanden, der eine katholische Schule absolviert hat», spekulierte Dembowski ungeniert. «So schön schreiben lernt man nur, wenn man eine Schuluniform getragen hat und von Nonnen gemaßregelt wurde.»
    «Verstehe», sagte D.D., selbst das Produkt einer öffentlichen Schule mit einer Sauklaue. Alex grinste breit, denn er hatte tatsächlich eine private katholische Schule besucht und sie, D.D., ihrer Handschrift wegen immer wieder aufgezogen.
    «Ja», fuhr Dembowski fort, «es scheint sich um eine gebildete und durchaus intelligente Person zu handeln. Orthographie und Grammatik sind auch korrekt, aber bei einer so kurzen Nachricht sagt das nicht viel.»
    «Okay», wiederholte D.D., die allmählich Gefallen an seinen Bemerkungen fand. Trotz aller Vorbehalte gegen Dembowskis pseudowissenschaftlichen Ansatz zeichneten sich in ihrer Vorstellung erste Konturen des Mörders ab. Die Nachricht passte zum Tatort. Und umgekehrt. Gar nicht so schlecht fürs Erste.
    «Zu guter Letzt möchte ich noch auf den Abstrich des Buchstaben J und die kleinen Häkchen am Ende eines jeden Worts aufmerksam machen», sagte Dembowski. «Diese Arabesken sind ein stilistisches Merkmal und sagen uns vielleicht etwas über die Psyche des Verfassers, von dem wir nun wissen, dass er ein geübter Schreiber ist und großen Wert auf Akkuratesse legt. Das kleine J hat einen markanten Abstrich, der länger ist als nötig, und auch die nach oben geschwungenen Wortenden geben dem Schriftbild einen eleganten Touch.»
    «Würden Sie sagen, wir haben es mit einer kultivierten Person zu tun?», fragte D.D. «Sollten wir in den oberen Gesellschaftsschichten nach ihr suchen, in vermögenderen Kreisen?»
    «Nun ja, das legt auch schon der mutmaßliche Besuch einer Privatschule nahe. Vergessen Sie nicht, wir bewegen uns im Bereich der Spekulation, aber ich würde sagen, unsere Zielperson ist Rechtshänder, sehr gepflegt, detailversessen, gut ausgebildet, vielleicht katholisch und natürlich …»
    Er legte eine Pause ein, als wollte er D.D. Gelegenheit geben, die Lücke zu schließen.
    «Gerundete Buchstaben», half er nach. «Schwungvolle Wortenden.»
    D.D. kam endlich auf den Trichter. Ihre Augen gingen weit auf. «Ich glaub’s nicht.»
    «Ich bin mir fast sicher. Studien haben gezeigt, dass selbst Laien am Schriftbild erkennen können, welchen Geschlechts der Verfasser ist. Die Trefferquote liegt bei fast siebzig Prozent. Frauen schreiben anders als Männer. Wenn wir also davon ausgehen, dass Ihr Mörder und der Verfasser dieser Nachricht ein und dieselbe Person ist, suchen Sie …»
    «Eine Frau!», platzte es aus D.D. heraus.
    «Ja, und ich würde sagen, eine, die zutiefst verletzt wurde.»

[zur Inhaltsübersicht]
    7. Kapitel
    «Sind Hunde hier in der Zentrale erlaubt?»
    Ich stand in der winzigen Kochnische und blickte von einer Anrichte auf, die voller Kaffeeflecken war. In der Tür stand Officer Mackereth. Er musterte mich und Tulip, die artig neben mir hockte.
    7:42 Uhr. Sarah Duffy, meine Ablösung, war dankenswerterweise pünktlich zur Arbeit erschienen. Sie hatte vor einer halben Stunde eingecheckt und sich von mir über den Verlauf der Nachtschicht informieren lassen. Wir machen das immer so, denn es ist hilfreich, wenn es wiederholt zu Störungen oder Streitigkeiten kommt. Dann weiß die Nachfolge, was Sache ist, und kann veranlassen, dass drastischere Maßnahmen getroffen werden, damit endlich Ruhe einkehrt.
    Ich hatte ausgecheckt mit dem Gefühl, jeden Penny meines Stundenlohns von 14,50 Dollar sauer verdient zu haben. Ich war erschöpft und gleichzeitig aufgedreht, was für jeden gefährlich ist, besonders für mich.
    Ein Tag weniger; bis zum Einundzwanzigsten waren es nur noch drei. Randi und Jackie waren abends getötet worden. Nur um den Gedanken noch einmal durchzuspielen, datierte ich meine Deadline auf zwanzig Uhr am 21. Januar, also in rund vierundachtzig Stunden. Angenommen, ich würde vormittags sechs Stunden schlafen, blieben mir

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