Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
Vom Netzwerk:
sie?»
    «Wir feiern demnächst unser sechsmonatiges Jubiläum. Ich hoffe, sie bringt mir Blumen mit. Haben Sie Haustiere?»
    «Keine Freundin, keine Kinder, keine Haustiere. Aber noch beide Elternteile, eine nervige ältere Schwester und nette Neffen und Nichten. Das reicht mir.» Jetzt war er wieder mit Fragen an der Reihe: «Hobbys oder irgendwelche besonderen Interessen?»
    «Putzen und sauber machen.»
    Er warf mir einen Blick zu. «Im Ernst?»
    Ich zuckte mit den Achseln. «Ich arbeite nachts und verschlafe den ganzen Tag. Für alles andere bleibt nicht viel Zeit.»
    «Klar.» Er bemerkte meine Hände, die zu Fäusten geballt auf meinem Schoß lagen. «Ich wette, diese Knöchel haben Sie nicht vom Putzen.»
    Ich bedauerte, meine Handschuhe nicht angezogen zu haben. Zumindest hätte ich die Hände unter den Schenkeln verstecken sollen. Die Knöchel sahen schrecklich aus. Zwischen dem kleinen und dem Ringfinger waren beide Hände geschwollen und violett angelaufen. An allen übrigen Knöcheln hatte ich Schürfwunden und mehrere alte und neuere Verletzungen. Preisboxerhände. Nicht besonders feminin, geschweige denn hübsch, aber mir gefiel es so, denn es hatte abschreckende Wirkung.
    «Ich boxe», erklärte ich.
    Officer Mackereth zog die Brauen in die Stirn. «Dann haben Sie also doch ein Hobby. Und wie es scheint, schlagen Sie ziemlich fest zu, so fest, dass die Knöchel drunter leiden, obwohl Sie doch, wie ich annehme, Boxhandschuhe tragen, oder?»
    Ich korrigierte ihn nicht. Natürlich kämpfte ich mit bloßen Fäusten. Was sollte ich am Einundzwanzigsten mit Boxhandschuhen anfangen?
    «Sie schieben häufig Nachtschicht?», sagte ich, um das Thema auf ihn zu lenken.
    Er nickte. «Meistens.»
    «Warum? Sie sind doch lange genug im Dienst, um günstigere Arbeitszeiten einfordern zu können.»
    Mackereth zuckte mit den Achseln. «Mit den Nachtdiensten habe ich angefangen, weil die allen Neulingen aufgebrummt werden. Aber irgendwie hat’s zu mir gepasst. Ich bin wohl ein Nachtmensch. Mir macht’s nichts aus, während viele Kollegen Familie haben, Kinder und Hunde und weiß Gott, was sonst noch. Für die wären Nachtdienste eine Strafe. Also springe ich ein.»
    «Sehr kollegial», sagte ich.
    «Das sind wir alle», erwiderte er. «Und wie steht’s damit bei Ihnen in der Leitstelle?»
    «Da arbeiten nur Einzelgänger.» Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber mir war nach impulsiven Antworten zumute. «In einem abgedunkelten Raum mit vielen Monitoren und einer Kanne Kaffee zu arbeiten ist das, was wir uns unter einer guten Zeit vorstellen. Wissen Sie, was herauskommt, wenn man einen Fluglotsen mit einem Drahtseilakrobaten kreuzt? Ein Neun-eins-eins-Operator.»
    Er lachte herzhaft, was mir mehr schmeichelte, als mir lieb war.
    «Wie sind Sie an diesen Job geraten?», fragte er.
    «Ich war in Colorado, brauchte einen Job, hatte aber keinen Collegeabschluss. Callcenter nehmen so gut wie jeden.»
    Als Studentin hatte ich unter chronischen Erinnerungsstörungen gelitten, ganz zu schweigen von meiner Unfähigkeit, mich zu konzentrieren. Keine günstigen Voraussetzungen für eine akademische Karriere. Jackie schüttelte immer nur den Kopf, wenn ich wieder einmal durch eine Prüfung gerasselt war. Aber auch für mich stellte sich heraus, dass Krisenzeiten Chancen bergen. Als Teammitglied im Wettkampf um irgendeinen Quiz-Pokal mochte ich zwar denkbar ungeeignet sein, aber ich war jemand, den man anrief, um einen Hauseinbruch zu melden. Jetzt hoffte ich, dass mir der Adrenalinstoß auch am Einundzwanzigsten ein Freund sein würde.
    «Nicht viele schaffen die Ausbildung zum Notruf-Operator», bemerkte Mackereth.
    Diesmal zuckte ich mit den Achseln. «Mir gefällt der Job. Jede Schicht ist anders, man muss viel improvisieren. Ich hab wahrscheinlich ADS, aber gerade das kommt mir bei meiner Arbeit entgegen. Wie sind Sie zur Polizei gekommen?»
    «Schon mein Vater war Cop. Da haben wir’s wieder mal; das kennt man ja. Aber auch mir gefällt es so. Der Dienst ist sehr abwechslungsreich. Man muss viel improvisieren.»
    Mackereth verließ die I-93 an der Ausfahrt Storrow Drive. Wir hatten unser Ziel fast erreicht. Hinter der Glasscheibe, die die Kabine vom Heckraum trennte, sah ich, dass Tulip wieder auf der Rückbank saß und den Kopf gehoben hatte.
    «Sie können uns am Harvard Square rausschmeißen», wiederholte ich.
    «Aber da wohnen Sie doch nicht.»
    Ich schaute ihn an. «Woher wissen Sie, wo ich wohne?»
    «Ich

Weitere Kostenlose Bücher