Der Tag, an dem du stirbst
bin Cop», antwortete er gelassen. «Ich habe mich informiert.»
Meine Hände lagen immer noch im Schoß. Ich dachte an meine geladene Taurus, die in der Tasche steckte, weil man mich nicht mit einer geholsterten Waffe an meinen Arbeitsplatz lassen würde. «Officer Mackereth …», begann ich.
«Tom.»
«Officer Mackereth.»
«Tom», wiederholte er stur.
«Setzen Sie uns bitte am Harvard Square ab», sagte ich spitz. «Tulip und ich gehen den Rest zu Fuß.»
«Nur wenn Sie mir eine Frage beantworten.»
Ich musterte ihn stumm.
«Bin nur ich es, dem Sie nicht trauen?», fuhr er ruhig fort. «Oder misstrauen Sie allen Männern? Soweit ich weiß, habe ich mich Ihnen gegenüber nie anstößig verhalten. Wenn es aber doch einmal der Fall war, möchte ich wissen, inwiefern, denn dann könnte ich mich das nächste Mal vorsehen.»
Er hatte den Harvard Square fast erreicht, schien aber nicht abbremsen zu wollen. Er kannte meine Adresse und hatte es sich offenbar in den Kopf gesetzt, mir und Tulip einen Gefallen zu tun. Vielleicht wollte er auch austesten, wie weit er gehen konnte.
Er war schließlich ein Mann und ich eine Frau, und wir hatten in der Nacht ein paar ziemlich intensive Minuten miteinander erlebt. Ich war erschöpft und aufgedreht, er war erschöpft und aufgedreht, und er hatte dieses tiefe Lachen und diese breite Brust, und ich hätte tatsächlich nichts dagegen gehabt, ihn zu berühren.
Ich erinnerte mich an das Gefühl warmer, fester Männerhaut unter meiner Hand. An kratzige Stoppeln und dem hungrigen Geschmack eines Mannes, der mich so sehr begehrte wie ich ihn. Der Gedanke stieg mir zu Kopf, machte mich ein wenig wild.
Ich glaube, was wir Menschen am meisten fürchten, ist nicht der Tod, sondern das Alleinsein. Die fehlende Nähe eines anderen und der Mangel an Berührung. Die Erde bewohnt zu haben, ohne einen Eindruck zu hinterlassen.
Was mir da durch den Kopf ging, verwirbelte auch meine Müdigkeit und meine Rastlosigkeit bis hin zu dem Wunsch, mit einem Fremden ins Bett zu gehen. Ich wollte in diesem Moment einfach empfinden können, dass ich etwas zählte.
Am Harvard Square angekommen, bremste Mackereth ein wenig ab, weil ihn der Verkehr und die zur Uni strömenden Studenten dazu zwangen. Er folgte der Straße entlang der Ziegelbauten, passierte die Unterführung und bog hinter dem Grünstreifen links ab in den Weg, der zu meinem Haus führte.
Tulip roch den Stall und fing an zu winseln. Noch vier Blocks. Noch drei, zwei, einer. Mackereth trat auf die Bremse, bog rechts in die Gasse ein und hielt direkt vor dem grauen Haus meiner Vermieterin an. Ich hatte schon die Hand am Türgriff. Nur gut, dass sich in einem Streifenwagen die Beifahrertür nach Belieben öffnen ließ. «Vielen Dank», sagte ich.
«Essen wir zusammen?», fragte er geradeheraus. «Heute Abend. Bevor unser Dienst anfängt. Ich könnte Sie abholen. Wir fahren zu mir, und ich koche was. Tulip kommt natürlich mit. Aber wenn es Ihnen lieber ist, führe ich Sie aus in ein Restaurant.»
«Danke, dass Sie mich nach Hause gebracht haben», wiederholte ich.
Er seufzte. «Sie sind eine harte Nuss, Charlie.»
Ich widersprach ihm nicht, sondern stieg aus und befreite Tulip aus dem Heckraum. Sie sprang dankbar heraus und rannte auf dem schneebedeckten Gehweg im Kreis.
Mackereth sagte nichts mehr. Er musterte mich durchs Fenster, als ich die Beifahrertür ins Schloss warf. Gleich darauf setzte er den Streifenwagen in Bewegung und fuhr weiter.
Tulip und ich standen am Straßenrand und schauten ihm nach.
Wir warteten, bis er nicht mehr zu sehen war. Dann endlich fiel mir auf, dass ich die Luft angehalten hatte, atmete tief durch und wandte mich dem Haus meiner Vermieterin zu. Von einer Bewegung am Blickfeldrand aufmerksam gemacht, blickte ich nach oben und sah, wie sich hinter dem Fenster im Obergeschoss des Nachbarhauses ein Schatten löste.
Da hatte jemand gestanden, der in dem Moment, als ich hochschaute, zurückgewichen war. Gleich darauf wurde ein Rollo heruntergelassen. Tulip und ich standen allein auf dem Gehweg. Mir richteten sich die Nackenhaare auf.
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8. Kapitel
«Ich will mit einbezogen werden.»
«Was?» Mit verschwommenen Augen blickte D.D. von einem Stapel Vernehmungsprotokolle auf, die sie durchgeblättert hatte. Ihr schwirrte der Kopf, was sie aber nicht weiter verwunderte. Jack, der während des Abendessens noch friedlich und guter Dinge gewesen war, hatte wieder die ganze Nacht
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