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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Miller
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unsicher einen Gruß, während ich ihn irritiert ansah. Was wollten sie von uns? „Wir beobachten Sie schon eine ganze Weile“, lächelte er so entwaffnend, dass wir sein Lächeln unwillkürlich erwidern mussten. „Mein Freund und ich schlossen gerade eine Wette ab“, fuhr er fort und wandte sich nun nur an Ava, die augenblicklich rot wurde. „Ich möchte nicht lange drum herum reden, Miss“, schmunzelte er spitzbübisch. „Ihr netter junger Begleiter ist doch Ihr Bruder, nicht wahr? Bitte sagen Sie mir, dass es der Fall ist, denn wenn nicht, werde ich dieses Lokal als ein armer Mann verlassen!“ Wir sahen uns fragend an und zuckten fast synchron mit den Schultern.
    „David ist zwar nicht mein leiblicher Bruder, aber wir sind tatsächlich so etwas wie Geschwister“, erklärte sie dem Fremden.
    „So etwas wie Geschwister reicht mir vollkommen aus!“, jubelte er und sagte zu seinem Freund: „Stanley, du schuldest mir fünfhundert Dollar.“
    „Ich stelle dir nachher einen Check aus“, gab dieser abwesend zurück, denn seine Aufmerksamkeit galt voll und ganz Ava, von der er nicht die Augen lassen konnte. „Dürfen wir uns zu Ihnen gesellen?“, fragte er sie, und ich fühlte mich gereizt, da er mich vollkommen ignorierte. Seinem Begleiter fiel es auf. Er lächelte mich höflich an: „Ist es in Ordnung, oder haben Sie mit Ihre r schönen fast-Schwester etwas Wichtiges zu besprechen? Es würde uns zwar das Herz brechen, aber, falls Sie ungestört bleiben möchten, werden wir uns selbstverständlich wieder zurückziehen.“ Etwas an seiner Stimme, an der Art, wie er sprach, sich bewegte und mich ansah, wirkte fast hypnotisierend auf mich. Dieser mysteriöse Fremde hatte mich völlig in seinen Bann gezogen. Ich sah Ava fragend an, sie nickte kaum merkbar.
    „Von mir aus“, sagte ich und bemühte mich um einen gleichgültigen Ton.
    „Bringen Sie uns bitte eine Flasche Champagner!“, rief er dem Kellner zu, und dieser beeilte sich, seinen Wunsch zu erfüllen. Der Fremde strahlte eine eigenartige Macht aus, eine beinahe übermenschliche Selbstsicherheit, die ich ungeheuerlich anziehend fand. Doch er schien nur Augen für Ava zu haben. Die beiden Männer buhlten um ihre Aufmerksamkeit, und sie blühte immer mehr auf. Ich fragte mich, ob es an dem Champagner lag oder an der unverhohlenen Bewunderung, mit der die beiden sie überschütteten, jedenfalls hatte ich Ava noch nie so viel und so schnell reden hören. Sie fühlte sich vollkommen in ihrem Element und schnatterte die ganze Zeit wie ein Vögelchen. Erzählte von ihrem Traum, Schauspielerin zu werden und schilderte unglaublich humorvoll und amüsant ihre misslungenen Bewerbungsgespräche und die verpatzten Vorsprechen. Ihre Wangen glühten. Ihre Augen strahlten um die Wette mit ihren schneeweißen Zähnen. Sie war einfach nur bezaubernd, und, wenn ich… anders wäre, hätte ich mich auf der Stelle in sie verliebt. Da ich nun mal der war, der ich war, fühlte ich mich lediglich zu dem geheimnisvollen Fremden immer stärker hingezogen. So stark, dass ich spürte, wie mein Puls immer schneller ging und sich in meiner Hose etwas regte. Plötzlich sah er mich intensiv an, und in seinen samtigen, tiefgründigen Augen blitzte für den Bruchteil einer Sekunde etwas auf, das mir klar machte, dass er es wusste. Nun war ich an der Stelle, rot zu werden. Seine Mundwinkel schnellten kaum merklich nach oben, bevor er seinen Blick wieder an Ava richtete. Zum ersten Mal seit unserer Geburt war ich auf sie eifersüchtig. Ich stand abrupt auf und murmelte: „Wenn Ihr mich bitte entschuldigen würdet. Ich habe einen langen Tag hinter mir und muss morgen früh aufstehen.“
    „Aber David…“ Ava sah mich verwirrt und enttäuscht an, „wir haben doch Spaß! Du willst doch nicht schon wi eder gehen?“
    „Doch, ich gehe jetzt“, antwortete ich knapp, und da sie mich gut kannte, hörte sie den angepissten Unterton heraus. „Du kannst ja noch bleiben, wenn du willst, du hast morgen sowieso Spätschicht“, fügte ich etwas versöhnlicher hinzu.
    „Aber wie komme ich denn nach Hause?“, jammerte sie verzweifelt.
    „Oh, ich würde Sie liebend g ern nach Hause fahren!“, versicherte Stanley ihr eilig. „Wenn Sie nichts dagegen haben, natürlich“, wandte er sich an mich. Etwas zu arrogant für meinen Geschmack, aber es war mir mittlerweile egal. Von dem Gefühl, das sprichwörtliche fünfte Rad am Wagen zu sein, hatte ich erstmal genug, ich wollte nur noch

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