Der Tag an dem ich erwachte
mich schäbig, Ava in diesem Zustand zurückzulassen, doch ich wusste, dass sie bei ihrem Mann bestens aufgehoben war. Gleichzeitig wartete Alice auf mich an der Tür und winkte mir mit einer strahlenden Zukunft, die ich mir nie zu erhoffen vermochte. Und jetzt war sie da, zum Greifen nahe. Ryan wollte mich wider haben, er liebte mich!
„Er liebt dich wirklich über alles, Gail“, sagte Alice, als wir losfuhren. „Ich beneide dich“, gab sie leise zu. „Ich wollte doch auch nur geliebt werden“, vertraute sie mir an, als sie über mehrere rote Ampeln fuhr. „Ich scheiße auf die blöden Strafz etteln!“, lachte sie freudlos, „die kann ich mir leisten! Ich weiß nicht, was an mir falsch ist, Gail“, sprach sie weiter. „Sieh mich an, ich bin doch alles andere als hässlich?“
„Du bist wunderschön“, stimmte ich ihr zu.
„Wieso bin ich dann so einsam?“, wollte sie von mir wissen, und ich blieb ihr die Antwort schuldig. Ich wusste es nicht.
„Wir sind da!“, verkündete Alice feierlich, als sie vor einem schönen großen Haus anhielt. „Willkommen zu Hause!“
„ Das ist Ryans Haus?“, fragte ich überrascht. „Es ist so anders als…“
„Sein Waldhäuschen?“, beendete Alice meinen Satz, und ich verspürte einen leisen Stich der Eifersucht: Er hatte also auch sie in das Hexenhäuschen mitgenommen. Ob sie dort miteinander geschlafen hatten? Ich schüttelte diesen unangenehmen Gedanken sofort ab. Ich sollte die Vergangenheit wirklich ruhen lassen, mich einzig und allein auf die Gegenwart konzentrieren und mich auf die Zukunft freuen. Wenn Ryan es konnte, konnte ich es erst recht. Apropos Ryan… Mein Herz klopfte in meiner Brust wie eine verrückt gewordene Taschenuhr.
„Ist er da?“
„Er kommt später“, lächelte Alice, „heute muss er länger arbeiten.“ Sie muss mir meine Enttäuschung angesehen haben, denn sie fügte, noch breiter lächelnd, hinzu: „Die Vorfreude ist doch die schönste Freude, Kleines. Oder etwa nicht? Komm, ich zeige dir dein neues Zuhause!“, forderte sie mich fröhlich auf, bevor sie die Tür aufschloss. Die Tatsache, dass sie einen Ersatzschlüssel zu Ryans Haus besaß, behagte mir nicht, und es gefiel mir immer weniger, wie routiniert sie sich durch die Räume bewegte.
„Bist du oft hier?“ Obwohl ich mich um einen beiläufigen Ton bemühte, entging Alice mein Unbehagen nicht. Sie drehte sich um und blickte mir direkt in die Augen.
„Ich bin vermutlich die letzte Frau auf dieser Erde, auf die du eifersüchtig sein sollst, Gail“, sagte sie erst. Ich will dich nicht anlügen, wir hatten mal was am Laufen, aber es war nur kurz und ist ewig her. Völlig unbedeutend, im Gegensatz zu unserer Freundschaft, die sich unerwartet daraus entwickelte. Ryan ist für mich das, was Ava für dich ist.“ Es gefiel mir trotzdem nicht, dass Ryan mit einer anderen Frau so eng befreundet war, doch ich zwang mich dazu, meinen Missmut herunterzuschlucken.
„Ich weiß, ich bin albern“, lachte ich entschuldigend, „hoffentlich werde ich mich nicht zu einer eifersüchtigen Furie entwickeln“, witzelte ich, doch Alice blieb erst.
„Das wirst du mit Sicherheit nicht, Gail. Ryan wird dir keinen Anlass dazu liefern.“ Sie sagte es mit einer derartigen Inbrunst, dass ich einfach nicht anders konnte, als sie spontan in die Arme zu schließen. Alice war ein wunderbarer, warmherziger Mensch!
„Du wirst auch schon bald den Richtigen finden, Alice!“, sagte ich voller Überzeugung.
„Da wäre ich mir nicht so sicher, Kindchen“, lachte sie, „aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Eins kann ich dir versprechen: Sollte der Fall je eintreten, mache ich dich zu meiner ersten Brautjungfer.“
„Ich kann dir leider nur die Rolle der zweiten Brautjungfer anbieten“, schmunzelte ich, „sonst würde Ava mich umbringen.“
„Oder eher mich“, gab Alice zu bedenken, „sie hasst mich jetzt schon. Schade eigentlich, dabei bin ich ein großer Fan von ihr.“
„Sie hasst dich doch nicht!“, widersprach ich ihr, „sie ist bloß misstrauisch. Sie macht sich Sorgen. Du darfst dir ihre Feindseligkeit wirklich nicht zu Herzen nehmen“, sagte ich entschuldigend, „wir haben eine ganze Menge durchgemacht. Ich ahne schon, dass auch Ryan es nicht leicht mit ihr haben wird“, kicherte ich, „sie wird mit Sicherheit die Rolle der bösen Schwiegermutter übernehmen, der der Schwiegersohn nichts recht machen kann. Der arme Ryan, er tut mir jetzt schon leid!“
Wir lachten
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