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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Miller
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mir breitete sich eine Blutlache aus, die nie wirklich trocken zu werden schien, was vermutlich an dem hohen Feuchtigkeitsgehalt in dem Keller lag. Zwischen meinen Beinen bildete sich eine harte Blutkruste. Jedes Mal, wenn Ryan sie durchbohrte, seufzte er entzückt: „Es ist, als würde ich dich jeden Tag aufs Neue entjungfern!“ Er schien keinen Anstoß an dem Gestank, der sich unaufhaltsam in dem Keller verbreitete, zu nehmen, er schien ihn sogar noch mehr zu erregen. Obwohl er mich jeden Tag mit Wasser und Nahrung versorgte, nahm ich nur das Nötigste zu mir, denn jeder Gang auf die Toilette (wie er großzügig den obligatorischen Eimer bezeichnete) bereitete mir stechende Schmerzen. Mittlerweile hatte er mir zwei weitere Zähne herausgeschlagen. Auch meine Nase und einige Rippen waren vermutlich gebrochen. Er schlug mich mit Vorliebe in den Bauch und auf die Nieren, meistens mit seinen Stiefeln. Wenn er besonders wütend war, benutzte er einen Stock. Mein Urin hatte sich rot verfärbt, und ich wusste nicht, ob es an meinen äußeren oder an meinen inneren Verletzungen lag. Was spielte es schon für eine Rolle? Was spielte überhaupt noch etwas für eine Rolle? Ich hörte auf zu essen, nur auf das Wasser konnte ich nicht verzichten. Ryan machte mein „bescheuerter Hungerstreik“, wie er es nannte, rasend, und er schlug immer brutaler zu. Dabei hoffte ich nur noch, dass er endlich stark genug zuschlagen und die richtige Stelle dabei erwischen würde. Doch er las meine Gedanken und beraubte mich dieser einzigen Hoffnung, die mir noch blieb: „Ich mute dir nur so viel zu, wie viel du ertragen kannst, Holly!“
    Eines Tages brachte er eine Flasche Champagner und zwei Gläser mit. Schon bei d em Gedanken an den säuerlichen Geschmack wurde mir übel und ich würgte.
    „ Du stellst dich aber ganz schön zickig an!“, sagte Ryan verärgert, und ich rollte mich automatisch in einer Embryonalstellung zusammen. Doch wider Erwarten schlug er mich nicht. Er schenkte mir ein Glas ein und hielt es mir entgegen. „Trink, Holly!“, verlangte er, „heute ist mir nach Feiern zumute. Wir machen große Fortschritte, Liebes. Du bist zwar noch recht bockig und schaffst es immer wieder, mich auf die Palme zu bringen, dennoch sehe ich langsam ein Licht am Ende des Tunnels.“ Ich schreckte hoch und sah ihn fragend an. „Aber nicht doch!“, lachte er amüsiert. „Dafür habe ich bereits viel zu viel in dich investiert. Wir werden für immer zusammen bleiben, das verspreche ich dir, Schatz! Und du weißt, dass ich stets meine Versprechen halte, nicht wahr?“ Anstatt einer Antwort entfuhr mir ein ersticktes Wimmern. „Trink endlich, du undankbares Stück!“, fauchte Ryan, und ich tat wie mir geheißen. Mein ausgehungerter, ausgedörrter Körper lehnte den Alkohol sofort ab, und ich übergab mich mehrmals. Ryan schüttelte missbilligend mit dem Kopf: „Wie kann ein Geschöpf, das so lieblich ist wie du, gleichzeitig so abstoßend sein?“ Genau das Gleiche frage ich mich die ganze Zeit auch, dachte ich verbittert. Derweil nippte Ryan entspannt an dem Champagner und schenkte mir ein freundliches Lächeln. Ich erschauderte vor Abscheu. „Heute ist mir nicht nur nach Feiern zumute, Holly“, verkündete er und setzte sich mir gegenüber auf den modrigen Boden, „sondern auch nach Reden. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe unsere Gespräche vermisst. Du nicht auch?“ Ich blieb ihm die Antwort schuldig. „Ich weiß, du bist auf mich sauer“, seufzte er bedauernd. „Aber es wird sich bald ändern. Erst, wenn du die ganze Wahrheit über mich kennst, wirst du mich verstehen und mir dankbar sein für alles, was ich für dich tue.“ Ich wollte seine ungewohnt lockere Stimmung nutzen und fragen, wie lange er mich schon gefangen hielt, doch er kam mir zuvor: „Schweig!“, befahl er mir. „Dein Gebieter hat dir noch nicht erlaubt, zu sprechen.“ Er zündete sich eine Zigarre an, entsetzt beobachtete ich, wie er in den Eimer abaschte. In den Eimer. „Als du zum ersten Mal das Wort „Gebieter“ benutzt hast… Weißt du noch? Es war, als du aus einem schlimmen Alptraum nicht erwachen konntest. Da wusste ich es! Du bist nicht die einzige von uns beiden, die gelogen hat, Holly“, vertraute er mir an. „Ich kannte meinen Vater, ich meine, ich kannte ihn persönlich . Ich war einer seiner Studenten. Was ich jedoch nicht ahnen konnte, war die Tatsache, dass auch er die ganze Zeit wusste, wer ich war. Das hatten wir

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